Die Rede ist über den offiziellen Livestream der Stadt hier ab ca. 01:19:35 verfügbar.
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
liebe Gelsenkirchener*innen,
über das Thema „Abschaffung der Kitagebühren“ in Gelsenkirchen haben wir in der Ratssitzung im vergangenen Dezember bereits intensiv debattiert. Was heute ansteht, ist im Grunde nicht mehr als der formale Beschluss zu einer Entscheidung, die bereits getroffen worden ist, nämlich dass die Kitagebühren zum 1. August 2025 wegfallen sollen.
Als Grüne haben wir erklärt, dieses Anliegen zu unterstützen unter der Bedingung, dass gleichzeitig eine Prüfung von Seiten der Verwaltung erfolgt, auf welchem Wege die Stadt die Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen in den städtischen Kitas besser entlohnen könnte. Die Ergebnisse dieser Prüfung liegen ebenfalls zur heutigen Ratssitzung vor und werden direkt im Anschluss an diesen Tagesordnungspunkt diskutiert. Ich kann so viel vorwegnehmen: eine bessere Bezahlung für insgesamt 242 Stellen von Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen würde einen Mehraufwand von 750.000€ bedeuten.
Außerdem haben wir durchgesetzt, dass transparent gemacht wird, welche Einnahmen in den bestehenden Einkommensstufen durch die Kitagebühren erzielt werden. Oder anders herum: dass transparent gemacht wird, welche Einkommensgruppen von einer Abschaffung der Gebühren am meisten profitieren würden.
Ich erinnere daran, dass wir die entsprechende Vorlage zu dieser Frage, die aus unserer Sicht für die Debatte von zentraler Bedeutung ist, erst am Vormittag der letzten Ratssitzung erhalten haben und es daher so gut wie gar nicht möglich war, sie in Ruhe zu sichten und in eine politische Initiative wenige Stunden später zu überführen. Daher konnte sie bei der Entscheidung keine Rolle mehr spielen.
Wir bedauern sehr, dass es nicht möglich war, die Kolleg*innen von SPD und CDU davon zu überzeugen, die finale Entscheidung zu den Kitagebühren so zu vertagen, dass wir sie im Kontext dieser Informationen hätten besprechen können.
Am Ende steht ohne Frage eine Entlastung von Familien in Gelsenkirchen, die als Zielvorstellung absolut niemand hier im Rat in Frage stellen wird. Die allermeisten aber, nämlich ¾ aller Familien mit Kindern in der Kita, haben bisher schon keine Beiträge zahlen müssen. Denn es gelten aus Gerechtigkeitsgründen bereits viele Ausnahmen und Regeln, durch die Familien von der Gebühr befreit sind, so sind z. B. die letzten beiden Kita-Jahre grundsätzlich für alle kostenfrei. Außerdem zahlen Familien mit einem höheren Einkommen bereits jetzt schon mehr für den Kita-Platz als Familien mit einem geringeren Einkommen. Gleichzeitig zahlt man in Gelsenkirchen aber immer noch weniger als z.B. in Herne oder Dortmund.
Wenn Sie sich die Entwicklungen in den letzten Wochen anschauen, werden Sie bemerken, dass viele Kommunen einen anderen Weg gehen als wir in Gelsenkirchen es nun vorhaben. Überall werden die Gebührentabellen für die Kitagebühren auf den Prüfstand gestellt, viele Kommunen erhöhen ihre Beiträge statt sie abzuschaffen. Das macht keine Kommune gerne, sondern ist den angespannten Haushaltslagen in den Kommunen geschuldet. Und wir wissen alle, oder eher die allermeisten, die AfD z.B. spricht sich gegen den Altschuldenfonds und gegen die Reform der Schuldenbremse aus, dass es hier auf Landes- und Bundesebene Maßnahmen für eine massive Entlastung der Kommunen braucht. Aber das verhandeln andere, nicht wir. Wir hier in Gelsenkirchen verhandeln, ob es sinnvoll ist, in einer Situation, in der der Haushalt angespannt ist, bleiben wird und wir perspektivisch wieder in eine Haushaltssicherung steuern, auf Einnahmen in Höhe von 5 Millionen Euro jährlich zu verzichten, um das restliche Viertel der Familien zu entlasten.
Sehr gerne hätten wir auch in Gelsenkirchen die Debatte in die Richtung geführt, dass wir die Gebührentabelle anpassen statt die Kitagebühren sofort ganz abzuschaffen. Eine Abschaffung hätte dann der nächste logische Schritt sein können. Wir hätten z.B. diskutieren können, ob die Einkommensgrenze, ab der überhaupt Beiträge entrichtet werden müssen, von 17.500€ auf 60.000€ angehoben wird, um gezielt Familien mit einem mittleren Einkommen zu entlasten. Eine solche Lösung hätte z.B. nur 1,8 Mio. € Mindereinnahmen bedeutet. Oder ob der Satz für Einkommen über z.B. 120.000€ Jahreseinkommen erhöht wird. Wie gesagt, die allermeisten Familien zahlen aktuell schon keine Gebühren. Was mit der Aussetzung der Kitagebühren nun passiert, ist dass die Entlastung vor allem zu Gunsten von Familien geht, die sich Kitagebühren – so ehrlich muss man sein – leisten können.
Von der CDU haben wir gehört/werden wir hören, dass es in der Frage des Anrechts auf die Betreuung von Kindern nicht fair sei, nur sogenannte Leistungsträger der Gesellschaft zu belasten. Die Verwendung des Begriffs in diesem Kontext legt nahe, dass damit Menschen bestimmter Einkommensklassen gemeint sind. Wenn wir darüber reden, wie sich Leistungsträger definieren, sind das in unserer Gesellschaft sehr viele andere auch, unabhängig von der Einkommensfrage. Daher weiß ich nicht, was das mehr bedeuten soll, als dass auch Menschen mit einem vergleichsweise hohen Einkommen entlastet werden sollen. Das kann man fordern, aber dann auch so benennen.
Grundsätzlich ist das auch der vollkommen richtige Ansatz, dass alle Kinder einen kostenlosen Betreuungsplatz verdient haben und erhalten sollen. Aber ist es die richtige Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt? Hätten wir nicht zunächst „nur“ die Mittelschicht entlasten können statt auch die Familien, die besser situiert sind? Nicht, weil wir es ihnen nicht gönnen oder generell Vorbehalte gegenüber Menschen mit einem höheren Einkommen hätten. Das ist doch Quatsch. Sondern, weil es, wenn man das Gesamtbild betrachtet, eine ausgewogenere Lösung gewesen wäre, die versucht, alle Interessen, also Entlastung der Mittelschicht und weiterhin bestehende Einnahmen für die Stadt, zu berücksichtigen.
Das Verfahren zur Abschaffung der Kitagebühren war aus unserer Sicht kein Glanzstück dieses Rates. Die politische Entscheidung erfolgte ohne Kenntnis aller Informationen, die es gebraucht hätte, um sie sorgfältig zu durchdenken oder zu – aus unserer Sicht – besseren Lösungen zu kommen.
Wir hätten uns z.B. darauf verständigen können, die Gebührentabelle so anzupassen, dass man 750.000€ statt 5 Mio. € an Kitagebühren einnimmt, um die Zulage für Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen zu ermöglichen. Dann würden wir weiterhin auf 5 Mio. verzichten, hätten aber noch mehr – wenn auch nicht alle – Familien entlastet und Teile des Personals in den Kitas besser bezahlt. Wer Letzteres möchte, muss jetzt noch einmal weiteres Geld einbringen und das zu finden, ist keine leichte Aufgabe.
Der Beitrag der Grünen zu diesem Thema war nicht die Initiative, die Kitagebühren in der aktuellen Situation abzuschaffen, auch wenn wir der Abschaffung gleich zustimmen werden, weil sie dem Grunde nach vollkommen richtig ist, aber zur falschen Zeit kommt. Unser Beitrag war es, dass Sie, liebe Gelsenkirchener*innen dazu alle Informationen erhalten, die wichtig oder zumindest interessant sind, um die Bedeutung dieser Abschaffung einzuordnen. Ob Sie sie für richtig halten oder nicht, hängt von Ihrer Meinungsbildung dazu ab.
Vielen Dank!
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