GRÜNE lehnen Haushaltsplan 2018 ab 20. Dezember 2017 Rede von Peter Tertocha in der Ratssitzung am 14.12.2017 zum Tagesordnungspunkt 2, Haushalt 2018. Es gilt das gesprochene Wort. Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, dreimal haben wir uns in den letzten Wochen mit der SPD-Mehrheitsfraktion zusammengesetzt und versucht, einen gemeinsamen Weg für den Haushaltsplan 2018 zu finden. Letztendlich bleibt nur die Feststellung, dass wir uns bei keinem der grünen Änderungsanträge wirklich annähern oder gar einigen konnten. Auch am Ende der dritten Gesprächsrunde hat es nach unserer Auffassung keine nennenswerte Bewegung bei der Mehrheitsfraktion gegeben, obwohl wir versucht haben, Kompromisslinien aufzuzeigen. Und dies hat für uns die Konsequenz, dass wir bei unserer bereits seit Jahren praktizierten Vorgehensweise bleiben. Es gibt für die GRÜNEN keinen Automatismus, ob wir einem städtischen Haushaltsplan zustimmen oder nicht. Wir entscheiden diese Frage jedes Jahr auf inhaltlicher Basis neu. Und diesmal sind wir von einer Zustimmung weit entfernt. Finden wir uns mit unseren Vorstellungen und Anträgen im Haushalt wieder, stimmen wir einem städtischen Haushaltsplan zu. Sind wir der Meinung, dass die Schwerpunkte falsch gesetzt sind und es zu weiteren Einschnitten in wichtige Bereiche der Stadt Gelsenkirchen kommt, lehnen wir einen solchen Haushaltsplan ab. Ohne eine grüne Handschrift im Haushalt gibt es auch keine GRÜNE Zustimmung. Ungeachtet der schlechten Finanzlage der Stadt gibt es für uns nach wie vor Schmerzgrenzen bei den Einsparungen, denn wir haben den Anspruch, unsere Stadt attraktiver zu machen. Die GRÜNEN ziehen diese Grenze bei den Einsparungen wie in den vergangen Jahren dort, wo es in Gelsenkirchen zu weiteren Einschnitten in den Bereichen Bildung, Jugend, Soziales, Kultur und Sport kommt. Das ist mit uns nicht zu machen. Ebenso muss eine Stadt wie Gelsenkirchen trotz schlechter Finanzlage auch den Anspruch haben, sinnvolle Projekte anzugehen und natürlich auch umzusetzen. Wir haben versucht, unsere Vorstellungen unter anderem mit diversen Anträgen im Verkehrs- und im Kulturbereich einzubringen und sind damit bei der Mehrheitsfraktion, trotz inhaltlicher Sympathie für einige unserer Anträge, im Ergebnis auf völlige Ablehnung gestoßen. Wir halten diesen Weg für falsch. Eine Stadt muss trotz aller notwendigen Sparmaßnahmen für die Bevölkerung attraktiv und lebenswert bleiben. In der Verkehrspolitik liegen GRÜNE und SPD weiter auseinander denn je. Die Lücken im Gelsenkirchener Radwegenetz summieren sich je nach Rechnung weiterhin auf 70 bis 80 Kilometer und auch der Zustand ist an zahlreichen Stellen vorsichtig ausgedrückt stark verbesserungswürdig. Auf Initiative der GRÜNEN Fraktion wurden für den Lückenschluss vor drei Jahren zusätzliche Gelder in Höhe von einer Million Euro pro Jahr im Haushalt zur Verfügung gestellt. Aber auch damit ging es in den letzten Jahren nur in ganz kleinen Schritten voran. Deshalb haben wir zur Verbesserung in diesem Jahr auch die Verdopplung der Gelder in diesem Bereich gefordert. Die Realität: In 2018 ist so gut wie gar nichts mehr in diesem Bereich geplant. Die vorgesehenen Baumaßnahmen wurden kurzfristig fast komplett aus dem Haushalt gestrichen und die geplanten Fahrradboxen mit einem städtischen Eigenanteil von 150.000 Euro haben ziemlich wenig mit einer Verbesserung des Radwegenetzes in Gelsenkirchen zu tun. Statt der unserer Meinung nach dringend notwendigen Erhöhung der Gelder ist jetzt so gut wie gar nichts mehr eingeplant – so eine Art „rote Null“. „Kein Personal“ lautet jetzt die Begründung für die kurzfristig vorgenommene Streichung der Gelder. Dies können und werden wir nicht akzeptieren. Wir GRÜNEN wagen mal die Prognose, dass es in keinem anderen Bereich des städtischen Haushalts, auch in einer ähnlichen Personalsituation, zu einer derart drastischen Streichung gekommen wäre. Es zeigt sich wieder einmal, dass in Gelsenkirchen gerne und viel über die dringend notwendige Verbesserung des Radwegenetzes gesprochen wird, sich aber letztendlich nur in ganz ganz kleinen Schritten etwas verbessert. Eine solche Politik tragen wir GRÜNEN nicht mit. Und auch in anderen Bereichen der Verkehrspolitik haben wir GRÜNEN völlig andere Vorstellungen wie sich Gelsenkirchen weiter entwickeln sollte. Zwei Beispiele: Eine Verlängerung der Straßenbahnlinie 302 (bis zur Haltestelle Buer-Nord) oder bis zur Fachhochschule halten wir verkehrspolitisch für mehr als sinnvoll. Daher auch unser Antrag, dies als mittelfristiges Ziel im Haushalt festzuschreiben. Der SPD-Vorschlag, dies nur als langfristiges Ziel aufzunehmen, ist für uns nicht akzeptabel. Zum einen gibt es im aktuell vorgelegten Haushaltsplanentwurf nur kurz- und mittelfristige Ziele und zum anderen halten wir es für den richtigen Weg, in einem mittelfristigen Zeitraum (also in den nächsten vier Jahren), endlich die ersten Schritte (also die Erstellung einer konkreten Planung) zu einer Umsetzung des Projekts zu gehen. Auch für unseren Vorschlag zur Realisierung einer Ost-West-Verbindung im Öffentlichen Personalverkehr haben wir keine Mehrheit gefunden. Es bleibt daher weiterhin bei der seit Jahren im Haushalt stehenden Formulierung „Überprüfung der Realisierbarkeit“. Es kann nicht sein, dass jahrelang nur von einer Überprüfung gesprochen wird, aber eine mögliche Realisierung nicht als Ziel festgelegt werden soll. Zur Attraktivität einer Stadt gehören für uns aber auch die Angebote im kulturellen Bereich. Wie im Vorjahr haben wir erneut die Wiedereinführung eines städtischen Kunstpreises beantragt und zusätzlich ab 2018 die dringend notwendige finanzielle Unterstützung des soziokulturellen Zentrums Wohnzimmer gefordert. Ein Projekt, das in den letzten fünf Jahren ausschließlich von der ehrenamtlichen Arbeit der Vereinsmitglieder und Spenden gelebt hat und nicht nur nach Auffassung der GRÜNEN dringend einer finanziellen Unterstützung bedarf. Es ist unsere Aufgabe, solche Projekte auch als Stadt Gelsenkirchen zu unterstützen. Und zwar nicht nur mit Worten. Die Unterstützung darf auch nicht nur über Spenden privater Unternehmen erfolgen, diese bieten den Initiatoren keine Planungssicherheit, hier ist eine Förderung durch die Stadt Gelsenkirchen der richtige Weg. Meine Damen und Herren, Die geplante Erhöhung der Grundsteuer in Gelsenkirchen halten wir für falsch. Steuererhöhungen sind immer der einfachste Weg, um zusätzliches Geld in die Kasse zu bekommen. Wir lehnen Steuererhöhungen auch nicht grundsätzlich ab, Steuern sollten aber eine Lenkungsfunktion haben, wie die von uns beantragte Wettbürosteuer. Die Erhöhung der Grundsteuer trifft dagegen alle Hauseigentümer und Mieter der Stadt gleichermaßen und erzielt dabei ausschließlich unerwünschte Lenkungswirkungen für unsere Einwohner und Unternehmen, nämlich aus Gelsenkirchen heraus. Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zur doch sehr gewöhnungsbedürftigen Vorgehensweise beim diesjährigen Haushalt verlieren. Erst legt man uns im August einen Entwurf mit extrem optimistischen Planungen und hohen Finanzüberschüssen in den nächsten Jahren vor. Wenige Tage vor der abschließenden Beratung rudert man dann komplett zurück und präsentiert uns plötzlich, beinahe beiläufig, neue deutlich schlechtere Zahlen. Es geht uns dabei nicht um die Frage, ob die alten oder die neuen Zahlen näher an der Realität liegen oder ob Fehler gemacht wurden oder man zu neuen Erkenntnissen gekommen ist. Es handelt sich um Prognosen, wir kennen das Ergebnis heute alle noch nicht. Es geht darum, dass wir drei Monate lang in den Fachausschüssen über den Haushalt diskutieren und die Verwaltung uns die neue Vorgehensweise und das neue Zahlenmaterial und die daraus resultierenden Konsequenzen in diesen Sitzungen nicht zur Verfügung gestellt hat. So kann man keine seriöse Diskussion über den Haushalt führen. Wie weiter? Gelsenkirchen wird seine Finanzen aus eigener Kraft auch weiterhin kaum sanieren können, wenn der Bund und das Land NRW nicht für eine gerechte Finanzausstattung der Städte sorgen. Die Übernahme der Kosten bei Entscheidungen des Landes und des Bundes und die vollständige Weiterleitung von Zuschüssen des Bundes an die Kommunen müssen endlich zu einer Selbstverständlichkeit werden. Die „klebrigen Finger“ der verschiedenen Landesregierungen bei der vorzunehmenden Weiterleitung von Geldern aus Berlin sind für uns unabhängig von der politischen Zusammensetzung ein Skandal. Eine Einbehaltung von Teilbeträgen oder eine Verrechnung mit anderen Geldern durch das Land NRW lehnen wir daher strikt ab. Ebenso unterstützen wir die Forderungen zur Schaffung eines kommunalen Altschuldenfonds, der die kommunalen Verbindlichkeiten umfasst. Auch Städte und Gemeinden sind systemrelevant. Dadurch würde auch Gelsenkirchen entlastet und hätte mehr Sicherheit bei eventuellen Zinssteigerungen. Den vorgelegten Haushaltsplan lehnen wir in diesem Jahr ab. Wie es im nächsten Jahr weitergeht, hängt von der Frage ab, ob die SPD-Mehrheitsfraktion bereit ist, auch Anträgen der GRÜNEN positiver zu begegnen, als in diesem Jahr. Dann können wir uns auch eine breitere Mehrheit für den Haushalt 2019 vorstellen. Glückauf