Rede der Stadtverordneten Adrianna Gorczyk im Rat der Stadt am 12.12.2024 zum TOP 1.1 „Abschaffung der Elternbeiträge in der Gelsenkirchener Kindertagesbetreuung“

Die Rede ist über den offiziellen Livestream der Stadt hier verfügbar.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
liebe Gelsenkirchener*innen,

wenn ich in dieser Runde oder die Menschen in Gelsenkirchen frage, ob alle Kinder einen Zugang zu einem Kita-Platz haben sollten, wird wohl niemand, egal ob selbst Elternteil oder nicht, mit Nein antworten.

Der Realitätscheck zeigt, dass das in Gelsenkirchen nicht der Fall ist: die Betreuungsquote liegt in unserer Stadt aktuell bei 84 %, bei Kindern unter 3 Jahren etwas über 23 %. Die Nachfrage kann noch nicht bedient werden und wird weiter steigen.

Auch würde sich genauso wenig jemand dagegen aussprechen, dass frühkindliche Bildung ein Kinderrecht ist und kostenlos sein muss.

In Gelsenkirchen ist der Kita-Platz für die meisten Familien bereits kostenlos: nur ¼ der Menschen, die einen Kita-Platz in Gelsenkirchen in Anspruch nehmen, müssen für diesen bezahlen. Denn es gelten aus Gerechtigkeitsgründen bereits viele Ausnahmen und Regeln, durch die Familien von der Gebühr befreit sind, so sind z. B. die letzten beiden Kita-Jahre grundsätzlich für alle kostenfrei. Außerdem zahlen Familien mit einem höheren Einkommen bereits jetzt schon mehr für den Kita-Platz als Familien mit einem geringeren Einkommen. Gleichzeitig zahlt man in Gelsenkirchen aber immer noch weniger als z.B. in Herne oder Dortmund.

Die wenigsten, wenn sie dazu um ihre Meinung gebeten werden, würden auch in Zweifel stellen, dass Erzieher*innen und Kindertagespflegepersonen eine angemessene Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen vorfinden sollen, die an allen Kitas im Bundesgebiet gleichwertig sind.  

Es gibt aber Kommunen, namentlich Leverkusen und Düsseldorf, die ihrem Personal eine bessere Bezahlung ermöglichen, obwohl derselbe Tarifvertrag besteht.  

Bei den Zielvorstellungen, die ich gerade dargelegt habe, stehen wir zusammen, unsere Überzeugungen gehen nicht auseinander.

Auch wir GRÜNE möchten, dass alle diese Forderungen gleichzeitig erfüllt sind. Betrachten wir die aktuelle Situation in Gelsenkirchen, hätten wir nicht zuallererst und auch nicht zum jetzigen Zeitpunkt die Gebührenfreiheit priorisiert. Andere haben das getan und ich habe eine Ahnung, warum.

Jedenfalls wusste die GroKo bei ihrem ersten gemeinsamen Antrag zur Abschaffung der Kita-Gebühren noch nicht, dass die Gebührenfreiheit rund 5 Mio. € weniger an Einnahmen pro Jahr für die Stadt bedeutet und hat sie trotzdem im Hau-Ruck-Verfahren beschließen wollen.

Ich weiß es ja nicht, aber machen Sie das auch so, dass Sie Sachen bestellen, von denen Sie nicht wissen, was sie Sie kosten bzw. wem sie zu Gute kommen werden?

Wir GRÜNE haben das Thema Kita-Gebühren von Anfang an in einen Kontext mit dem Kita-Ausbau sowie der Frage nach der Verbesserung der Vergütung der Erzieher*innen sowie der Kindertagespflegepersonen gestellt.

Wie Letzteres gelingen kann, bringen wir als konkreten und umfangreichen Prüfauftrag ein, der Ergebnisse für das erste Halbjahr 2025 liefern wird. Dann werden wir wissen, wie wir uns die bessere Entlohnung von Erzieher*innen leisten können. Denn es ist nicht so, dass wir als Kommune dabei keine Handlungsoptionen hätten, so haben – wie eingangs erwähnt – z. B. Leverkusen und Düsseldorf Lösungen gefunden.

Die Aussetzung der Kita-Gebühren kommt mit der Mehrheit der GroKo so oder so, aber ich erinnere daran, dass keiner ihrer Anträge die Situation der Erzieher*innen in den Blick genommen hat. Die Aussetzung hilft aber nicht gegen den Fachkräftemangel in der Betreuung, dafür braucht es andere Maßnahmen, die wir mit der Prüfung vorbereiten wollen.

Außerdem haben wir durchgesetzt – und das ist ein sehr spannender Punkt –, dass endlich transparent gemacht wird, welche Einkommensgruppen am meisten von der Gebührenfreiheit profitieren werden. Und auch diese Information wurde uns, wie die Anträge der GroKo, erst sehr kurzfristig zur Verfügung gestellt, statt mit einem ordentlichen Vorlauf wie es der Bedeutung des Themas zugestanden hätte.

Und da wir die entsprechende Vorlage erst heute gegen 11:30 Uhr erhalten haben, verzeihen Sie mir, dass ich die Erkenntnisse dazu von ChatGPT habe zusammenfassen lassen:

  • Besservierdienende mit einem Jahreseinkommen von über 90.000 € erhalten die höchste Einzelentlastung pro Familie
  • Knapp 3,4 Mio. € der 5 Mio. € entfallen auf die Entlastung von Haushalten mit einem Jahreseinkommen ab 60.000 €
  • Allein für die Entlastung von max. 159 Haushalten für Familien mit einem Jahreseinkommen von 125.000 € will die GroKo auf Einnahmen von 700.000 € verzichten.

Ich frage vor allem die SPD: Halten Sie das für sozial gerecht?

Für uns wäre statt der Aussetzung der Gebühren auch eine Anpassung der Gebührentabelle denkbar gewesen, so dass die Gebührenpflicht erst bei einem höheren Einkommen ansetzt und die Beiträge neu geordnet werden, so hätte die Einnahmenlage einigermaßen stabil gehalten und trotzdem gezielt Familien entlastet werden können.

Basierend auf der bereits erwähnten Tabelle hätten wir für die gezielte Entlastung für Familien mit einem Einkommen bis 40.000 € nur Mindereinnahmen in Höhe von 360.000 € hinzunehmen.

In Dortmund war die CDU an einer ähnlichen Lösung beteiligt, in Gelsenkirchen ist hier aber kein Konsens mit der GroKo möglich.

Warum nicht, wenn hier doch die gezielte Entlastung und nur geringe Einbußen für den städtischen Haushalt in Einklang gebracht werden könnten? Was daran soll eine schlechte Idee sein?

Was die Betrachtung der Möglichkeiten der Abschaffung der Kita-Gebühren angeht, hat die Verwaltung eine vorbildliche und umfangreiche Vorlage erstellt. Darin heißt es aber auch, dass mit der Gebührenfreiheit die Nachfrage beim Betreuungsumfang steigen könnte, was die ohnehin angespannte Situation bei den Kita-Plätzen noch weiter verschärfen könnte. Ein Risiko, auf das wir eine Antwort haben sollten, zu dem aber GroKo und Verwaltung sich nicht verhalten.

Wie werden Gelsenkirchener*innen ohne Kita-Platz auf andere, die diesen im Gegensatz zu ihnen nicht nur haben, sondern zukünftig auch nicht mehr dafür zahlen müssen, schauen? Was werden sie von der Politik denken?

Sie werden erwarten, dass nach der Entlastung von vergleichsweise wenigen, die Betroffene der Debatte sind, auch die Intensivierung von Maßnahmen zum Kita-Ausbau und gegen den Fachkräftemangel folgt. Denn Menschen, die keinen Kita-Platz haben oder sich regelmäßig damit konfrontiert sehen, dass die Betreuung nicht stattfinden kann, ist auch mit Gebührenfreiheit nicht geholfen. Für alle Familien, die einen Kita-Platz haben wollen, zählen zunächst der Zugang und die Verlässlichkeit des Angebots, die Frage der Gebühren stellt sich dann je nach der finanziellen Situation deutlich oder ist eben auch weniger präsent.

Unsere Beteiligung an dieser Debatte ist also zusammengefasst ein Ausdruck unserer Haltung, dass wer A wie Aussetzung der Kita-Gebühren auch B wie Besserstellung der Erzieher*innen und Kindertagespflegepersonen sagen muss, denn wie wollen wir erklären, dass wir zwar die eine Maßnahme finanzieren, aber bei der zweiten, die genauso sinnvoll erscheint, mit den Schultern zucken?

Beide Maßnahmen haben jeweils für sich eine erhebliche Auswirkung auf den städtischen Haushalt und stehen allein deshalb schon in Abhängigkeit zueinander. Durch die Aussetzung der Kita-Gebühren verzichten wir auf Einnahmen in Höhe von rund 5 Mio. € jährlich, die Hälfte davon, 2,5 Mio. € würde es laut Auskunft von GeKita brauchen, um alle Erzieher*innen in den städtischen Kitas höher zu gruppieren. Wenn es nach uns ginge, würden zudem weitere Mittel benötigt, um zeitgleich auch einen Zuschuss an die Freien Träger bereitzustellen, um auch bei ihren Beschäftigten eine entsprechende höhere Entlohnung zu ermöglichen.

Nun also kommt die Aussetzung der Kita-Gebühren, aber es kommt eben auch das Versprechen, dass wir fundiert prüfen lassen, wie eine bessere Entlohnung der Erzieher*innen und Kindertagespflegepersonen realisiert werden kann und das ist unser nicht unerheblicher Beitrag an dieser Debatte.