Rede des Stadtverordneten Peter Tertocha im Rat der Stadt am 12.12.2024 zum TOP 3.1 „4. Satzung zur Änderung der Satzung über die Festsetzung der Realsteuerhebesätze in der Stadt Gelsenkirchen vom 21.12.1998“

Foto: Anna-Lisa Konrad

Die Rede ist über den offiziellen Livestream der Stadt hier verfügbar.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen Stadtverordnete aus den demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher vor Ort und im Livestream,

lassen Sie mich mit einem kurzen Rückblick beginnen. Als das Bundesverfassungsgericht 2018 die bisherige Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hat, regierte in Deutschland eine Koalition aus SPD und CDU. Als Ende 2019 mit dem so genannten Bundesmodell eine gesetzliche Neuregelung geschaffen wurde, war immer noch die so genannte Große Koalition im Amt.

Diese Reform hatte das Bundesverfassungsgericht erzwungen, da die Bewertungsgrundsätze seit 1964 im Westen und seit 1935 im Osten Deutschlands nicht verändert wurden und dies zu Ungleichbehandlungen geführt habe. Vorgabe war, dass eine realitätsnahe Grundstücksbewertung geschaffen werden müsse.

Als im Mai 2021 die Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Entscheidung traf, wie viele andere Bundesländer auch, das Bundesmodell für NRW zu übernehmen, gab es in NRW eine Koalition aus CDU und FDP. Soweit erstmal die Einordnung der politischen Rollen bei der Entwicklung der Grundsteuerreform. Einige wollen davon heute aber nichts mehr wissen.

Dass die Reform der Grundsteuer insgesamt aufkommensneutral ausgestaltet werden soll, war ebenfalls ein explizites Ziel im Rahmen der damaligen Gesetzgebungsverfahren. Deshalb wurde damals auch an die Städte und Gemeinden appelliert, die aus der Neubewertung des Grundbesitzes resultierenden Belastungsverschiebungen auszugleichen. Zum Beispiel durch eine Anpassung des Hebesatzes, um ein konstantes Grundsteueraufkommen zu sichern.

Lange Zeit war es eine relativ sachlich geführte Fachdebatte um die zukünftige Ausgestaltung der Grundsteuer. Mit der Sachlichkeit war es vorbei als die FDP nach der Landtagswahl in NRW 2022 aus der Landesregierung flog. Ich zitiere mal den Fraktionsvorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion in Auszügen: „Das neue, wertbasierte Grundsteuermodell von Olaf Scholz (SPD) sorgt für immense Bürokratie und treibt die Wohnkosten für viele Bürger in die Höhe. CDU und Bündnis 90/Die Grünen haben dieses schlechte Modell in Nordrhein-Westfalen einfach übernommen, obwohl bessere Vorschläge auf dem Tisch liegen.“ Schuld sind also immer die GRÜNEN, auch wenn die FDP in der Regierung ist und dies gemeinsam mit der CDU entschieden hat. Na ja, Finanzpolitik war und ist auch auf Bundesebene keine Stärke der FDP.

Natürlich kann Aufkommensneutralität nicht bedeuten, dass alle Menschen in der Stadt auch weiterhin den gleichen oder einen geringeren Betrag als vorher zu zahlen haben. Dass widerspräche auch dem Grundgedanken des Bundesverfassungsgerichts bei seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit.

Und auch uns GRÜNEN war und ist klar, dass durch die Reform der Grundsteuer Situationen entstehen können, die zu deutlich höheren finanziellen Belastungen führen. Und genau deshalb haben wir unsere Forderungen bereits sehr frühzeitig klar gemacht.

Als sich abzeichnete, dass die Neuregelungen in Gelsenkirchen und eine Aufkommensneutralität dazu führen würden, dass Wohngrundstücke in mehreren Konstellationen mit einer bis zu 50 Prozent höheren Belastung und Nichtwohngrundstücke mit bis zu 50 Prozent niedrigeren Belastung rechnen könnten, haben wir GRÜNEN uns schon vor längerer Zeit frühzeitig überregional und auch in Gelsenkirchen für die Einführung differenzierter Hebesätze ausgesprochen. Ohne diese Differenzierung wäre das Wohnen in unserer Stadt für viele Menschen deutlich teurer geworden.

Diese Verschiebungen, die durch differenzierte Hebesätze entstehen, sind doch keine stärkere Belastung von Gewerbegrundstücken gegenüber früher. Sie reduzieren nur die eintretende Entlastung dieser Nichtwohngrundstücke.

Ich würde mir von den Parteien, die die differenzierten Hebesätze bei der Grundsteuer teilweise heftig kritisieren, gerne mal einen konstruktiven Vorschlag hören, der erstens gerechter ist und zweitens auch nicht zu einem zweistelligen Millionenausfall bei der Grundsteuer wie in Gelsenkirchen führen würde.

Wenn diese Parteien meinen, dass Nichtwohngrundstücke nicht so stark belastet werden sollen, dann wünschen wir GRÜNEN uns endlich mal auch eine Antwort, ob die Stadt Gelsenkirchen dann eben 10 Millionen Euro weniger Einnahmen bei der Grundsteuer als in den Vorjahren haben soll oder ob Menschen in Mietwohnungen oder mit Wohneigentum dann eben stärker finanziell belastet werden sollen. Aber da kneifen die handelnden Akteure und hüllen sich in Schweigen.

Insofern begrüßen wir ausdrücklich die Position der Gelsenkirchener Verwaltung und auch der lokalen SPD-Fraktion diesen Weg der differenzierten Hebesätze mit uns gemeinsam zu gehen. Deshalb wird die GRÜNE Fraktion dem Vorschlag der Verwaltung zur Einführung differenzierter Hebesätze für Wohngrundstücke und Nichtwohngrundstücke heute zustimmen.