Was bedeutet der Dieselskandal – in Essen und woanders ? 6. Oktober 2017 Bericht über eine Veranstaltung der Ratsfraktion der Essener Grünen vom 18. September 2017 Leitfragen: Wie ist die Umweltbelastung durch Dieselfahrzeuge und droht ein Fahrverbot in Essen? Hat die deutsche Autoindustrie den Anschluss in der Fahrzeugentwicklung verloren? Wie kann das Mobilitätsverhalten schrittweise verbessert werden? Genau die richtigen Sachkundigen saßen auf dem Podium: Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöfer, Wirtschaftsexperte der Uni Duisburg-Essen, der über 10 Jahre bei Opel, Porsche, Peugeot und Citroen arbeitete, bevor er zu Lehre und Forschung wechselte MdB Oliver Krischer, stv. Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion, der die Grünen im Abgas-Untersuchungsausschuss vertrat Simone Raskob, Essens Umwelt- und Baudezernentin, die auch beim Deutschen Städtetag den Umweltausschuss leitet Der grüne Stadtverordnete Rolf Fliß leitete gut vorbereitet die Veranstaltung. Prof. Dudenhöfer bestätigte den Eindruck, dass die von den Firmen beim Dieselgipfel angebotenen Software-Updates nicht die bis zu 15fach überhöhten Abgaswerte auf die Grenzwerte reduzieren können und Nebenwirkungen seien noch unklar. Seit 2010 wurde die Bundespolitik über die zu hohe Stickoxidbelastung informiert. Unehrlichkeit prägt das Verhältnis der Regierung zur Dieseltechnologie, die zu unrecht als umweltfreundlich gilt. Die Distanzlosigkeit der Regierung zur Autoindustrie wird durch mehrere hochrangige Personalwechsel und die wiederholten Interventionen in Brüssel zur Erhöhung der Abgasgrenzwerte deutlich. Krischer erinnerte daran, dass genau vor zwei Jahren mit dem Verfahren der US-Umweltbehörde gegen VW der Dieselskandal begann. Die Realität war schon vorher klar, aber noch nicht bewiesen. Die Bundespolitik hatte die Industrie zur Umgehung der Abgasnormen regelrecht ermuntert, indem sie seit 2005 eigene Abgastests abschaffte und sie der Industrie überließ. Die Dieseltechnologie wurde als scheinbar „sauber“ mit geringerem CO2-Ausstoß durch Steuervorteile an den Tankstellen mit rd. 8 Mrd. Euro jährlich (!) gefördert. Durch schwerere und schnellere Autos ist dieser Vorteil längst wieder „ausgeglichen“. Die Initiativen der Grünen für bessere Verbraucherrechte waren vom CSU-Verkehrsminister Dobrindt persönlich verhindert worden. Lindners FDP-Forderung die Stickoxidwerte heraufzusetzen ist „Zynismus pur“, hat Deutschland doch schon heute mit 50 Mikrogramm/m³ einen deutlich höheren Grenzwert als die USA mit 20 Mikrogramm/m³. Die Chance auf tatsächliche Regelungen wurde bei den beiden Dieselgipfeln versäumt. Durch Wahl und Regierungsneubildung drohen 2018 ein Stillstand für neue Regelungen und Fahrverbote. Raskob erklärte die Handlungsmöglichkeiten der Städte. Die brauchen für den öffentlichen Verkehr finanzielle Unterstützung, denn gegenüber den „normalen“ Bussen sind Elektrobusse fast viermal so teuer – und auch nicht so schnell verfügbar. Die gemessenen Schadstoffwerte sind für Essen im Internet abrufbar. Aber gerade Stickoxid ist sehr kleinräumig verteilt und straßenweise verschieden, was auch Fahrverbote problematisch macht. Nachhaltige Mobilitätskonzepte werden vom Bund gefördert, daran beteiligt sich Essen. Im Ruhrgebiet muss ein Verkehrskonzept regional abgestimmt werden, unterschiedliche Standards oder Fahrverbote sind unsinnig. Was sind die Forderungen? Die grüne Forderung zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor für 2030 wird auch vom Autoexperten Dudenhöfer unterstützt, denn die Industrie braucht einen Weckruf, dabei gibt das jetzt genannte Jahr nur die Zielrichtung an. Betrug sei nach Dudenhöfer den Autobauern nur schwer nachzuweisen, denn sie seien durch die fehlende staatliche Kontrolle von der Bundespolitik geradezu eingeladen worden. Dem widersprach Krischer, da die Firmen entgegen der EU-Richtlinie gehandelt haben. In Deutschland wurde aber – bewusst – kein nationales Strafrecht für Verstöße eingeführt. Die geringe Diesel-Besteuerung muss geändert werden. Die Besteuerung soll sich nach dem CO2-Ausstoß richten. Die „Kleinstaaterei“ der Betreiber der Strom-Ladesäulen (die alle öffentlich gefördert wurden!) mit unterschiedlichen Kabeln und Bezahlsystemen ist abschreckend und ein Versäumnis der Regierung. Das Laden muss in das vorhandene Stromnetz eingebunden werden. Das Mobilitätsverhalten muss sich insgesamt ändern und effizienter organisiert werden. Die Attraktivität des persönlichen Autobesitzes nimmt bereits ab. Eine Intermobilität zwischen Fahrrädern, Autos und Öffentlichem Verkehr kann durch eine App transparent und bezahlbar werden. Wolfram Schneider