Die Stadt Gelsenkirchen hat die Lichtinstallation „Hallender Hass“ von Melisa Kujević nicht in das Programm des Lichtkunst-Festivals „Goldstücke“ aufgenommen. Die Künstlerin spricht von einer kurzfristigen Ausladung, die sie als „Eingriff in die Kunstfreiheit“ und als „Zensur“ begreift, nachdem sie bereits erfolgreich die Bewerbungsphase durchlaufen hat. Aus Solidarität haben auch die anderen Mitglieder ihrer Projektgruppe von der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBKsaar) ihre Teilnahme abgesagt. Es ist das gute Recht der Künstlerin, sich auch juristisch zur Wehr zu setzen.
Die Stadt hingegen behauptet, eine Zusage zur Teilnahme sei nicht erfolgt, die Konkretisierung und Zuspitzung des Kunstprojektes allein auf Aussagen der AfD sei bei der Bewerbung zum Open Call noch nicht abzusehen gewesen. In dieser finalen Form passe die Installation nicht in das künstlerische Konzept des diesjährigen Themas „Active Positive“. Das Festival wolle demnach „die Lebenswelt aktiv positiv darstellen und der Polarisierung, dem Rückzug ins Private sowie dem Populismus entgegenwirken“. Weiterhin argumentiert die Stadt aber auch mit der Neutralitätspflicht von öffentlichen Stellen und der zeitlichen Nähe des Festivals zur OB-Stichwahl, weshalb man sich von Werken mit dezidiert parteipolitischem Bezug distanzieren müsse.
Mir liegt der Schriftverkehr zwischen beiden Parteien nicht vor, auch nicht die Ausschreibung zum Open Call, in der angeblich Werke mit parteipolitischem Bezug ausgeschlossen sind, die aber nicht mehr auf der Online-Präsenz der Stadt zu finden ist, so dass meine Bewertung vorläufig ist.
Ist der Vorfall nun ein Skandal?
Als Veranstalterin hat die Stadt Gelsenkirchen die Rahmenbedingungen für das Festival gesetzt, aber auch einen Kurator, also einen Fachmann, für die künstlerische Ausgestaltung des Festivals beauftragt. Dieser soll von der Installation von Kujević sehr angetan gewesen sein. Offensichtlich im Nachgang zum Open Call gab es Bedenken der Stadt, das Kunstwerk bei den „Goldstücken“ auszustellen, die zur Nichtaufnahme bzw. Ausladung führten.
Daraus schließe ich, dass es innerhalb des Kreises der Verantwortlichen möglicherweise schon keine einheitliche Meinung über die Interpretation des diesjährigen Mottos gegeben hat.
Ich hätte verstanden, wenn „Hallender Hass“ aus künstlerischen Gründen als Projekt zurückgewiesen worden wäre, weil durch seine Herangehensweise destruktive und gewaltsame Inhalte thematisiert werden, was zu sehr vom beabsichtigten positiven Grundton des Festivals abweicht. Dieser Tenor war aber von Anfang an im Kunstwerk angelegt, vollkommen unabhängig davon, ob es sich nur mit der AfD beschäftigt oder nicht. Ein solcher Vorbehalt hätte also schon bei der Bewerbungsphase und nicht erst im Nachgang adressiert werden müssen. Deshalb liegt es nahe anzunehmen, dass die Ausladung tatsächlich mit der konkreten Befassung mit der AfD zusammenhängt.
Und da muss ich attestieren: da hat jemand seine Neutralitätspflicht falsch verstanden. Die OB-Stichwahl ist zum Zeitpunkt der Eröffnung des Festivals bereits Geschichte, es wäre absurd hier den Vorwurf einer Wahlbeeinflussung durch einen einzigen Beitrag in einem öffentlich finanzierten Kunst-Festival zu erheben.
Wer wegen eines solchen möglichen Szenarios schon im Vorfeld klein beigibt, lässt es an Rückgrat vermissen. Nicht nur der Gesellschaft selbst, auch ihren Institutionen und Behörden, kommt die Verantwortung zu, die Auseinandersetzung sowohl mit den Gelingensbedingungen von Demokratie als auch mit Angriffen auf sie zu ermöglichen und zu suchen.
Die Kunstfreiheit ist wie die Presse- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut in unserer Gesellschaft. Kunst kann und darf politisch sein, und sie kann und darf es anders sein als öffentliche Stellen selbst. Und sie sollte nicht daran gehindert werden, wenn kein Schaden intendiert und zu befürchten ist.
„Hallender Hass“ ist von seiner inhaltlichen Ausrichtung her in Gelsenkirchen genau richtig aufgehoben. Es wäre ein Verlust, wenn eine Auseinandersetzung damit nicht passieren würde. Ob die Goldstücke der passende Rahmen sind, darüber wird noch gestritten. Es könnte eine Geste der Versöhnung sein, eine andere Gelegenheit für eine Ausstellung in Gelsenkirchen zu schaffen. Auch die GRÜNEN wollen den Vorfall bei der nächsten Sitzung des Kulturausschusses aufarbeiten.
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