Frauen ticken anders – ticken Frauen anders? 24. März 2017 Im Nachgang zum internationalen Frauentag diskutierten einige Männer und knapp 20 Frauen am 22. März im GRÜNEN Zentrum insbesondere über Gerechtigkeitsfragen. Zu Gast waren die Münsteraner Landtagsabgeordnete Josefine Paul (Sprecherin für Frauenpolitik der GRÜNEN Landtagsfraktion), die Leiterin des Mädchenzentrums und Vorsitzende des Paritätischen in Gelsenkirchen Claudia Gertz sowie die Philosophin und Autorin Marit Rullmann. Unter der Moderation von Barbara Oehmichen (Sprecherin der GRÜNEN Gelsenkirchen und Kandidatin für die Landtagswahl) entwickelte sich im Laufe des Abends eine sehr angeregte Diskussion rund um gesellschaftlich aktuelle Themen, die sich gut unter die Überschrift „Fair – Gerecht – Sozial – Nachhaltig“, den Untertitel der Veranstaltung „Frauen ticken anders“, fassen lassen. Allgemein weiß man, dass Frauen und Männer sowohl im Alltag als auch in der Politik andere Scherpunkte setzen und daraus resultierend unterschiedliche Entscheidungen treffen. Frauen Denken und Handeln anders als Männer, aber was bedeutet das für eine gerechtete Gesellschaft und ganz konkret für Gelsenkirchen? Viel wurde über „Gender-Pay-Gap“ und „Renten-Gap“, also die Kluft zwischen der Entlohnung von Männern und Frauen gesprochen und wie diese zu schließen sei. Claudia Gertz wünschte sich als Voraussetzung zur Herstellung von (Geschlechter)Gerechtigkeit einen grundlegenden Wandel in der Steuer- und Finanzpolitik. Immer wieder wurde im Laufe der Veranstaltung Kritik am Neoliberalismus (eine Theorieströmung, die der Wirtschaft die komplette Regulierungsinstanz zuschreibt) und seinen Folgen geübt. Den Anstoß hierzu gab Marit Rullman, indem sie ein Zitat von Christoph Butte in die Runde warf, der in seinem 2005, in der jungen Welt erschienen Artikel schrieb: „Der Neoliberalismus, ursprünglich nur eine Wirtschaftstheorie, ist zu einer fast die ganze Welt beherrschenden Zivilreligion geworden.“ Marit Rullmann forderte ergänzend, Reiche und Unternehmen höher zu besteuern. Das Ehegattensplitting gehöre abgeschafft. Und, ja, Bildung sei wichtig, um soziale Ungleichheit zu beseitigen – aber das reiche nicht als isolierte Maßnahme und schon gar nicht mit geringem Mitteleinsatz. In verfestigter Arbeitslosigkeit wieder Hoffnung zu geben, Selbstwirksamkeit zurückgeben und erfahrbar zu machen, das wären laut Claudia Gertz zentrale Maßnahmen. Hier brauche es nachhaltiges und besser koordiniertes Arbeiten. Ein gesundes Leben in gut durchmischten Quartieren wird von allen als gutes Ziel betrachtet. Josefine Paul berichtete über ihre Arbeit im Untersuchungsausschuss zu den Silvester-Ereignissen von Köln, in dem das grundlegende Thema sexistischer Gewalt kaum eine Rolle spielte. Diese gebe es nämlich unabhängig von der Herkunft und Hautfarbe. Wir sind auch in unserem Land noch weit von wirklicher Gleichberechtigung entfernt, sondern haben es mit einem grundsätzlichen strukturellen Problem unserer Gesellschaft zu tun. Leider sei aktuell festzustellen, dass das, was an Emanzipation gewonnen wurde, jetzt verteidigt werden müsse statt weiterentwickelt werden könne. Darüber hinaus wurde man sich schnell einig, dass die Fürsorge-Tätigkeiten (z.B. in der Erziehung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen) zu wenig von der Gesellschaft gewürdigt werden, denn gerade die Fürsorge-Tätigkeiten sind es, die eine Gesellschaft zusammenhalten und sollten dementsprechend auch Entlohnung finden. Besonders problematisch ist zudem die ungleiche Verteilung der Fürsorgearbeiten. Weit über 50 Prozent der Arbeiten in diesem Bereich werden von Frauen verrichtet. Eine ebenso große Problematik stellt die Tatsache dar, dass Frauen in Deutschland häufig als Teilzeitkräfte oder geringfügig Beschäftigte arbeiten, was die Frage aufwirft, wie die Welt aussehen würde, wenn Frauen ebenso häufig Führungspositionen übernehmen würden wie Männer. Daher stellt sich die Frage, wie soziale Gerechtigkeit überhaupt zum Tragen kommt. Zur Beantwortung dieser Frage sollte man sich näher mit dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit auseinandersetzen. Aspekte sozialer Gerechtigkeit sind z.B. Chancengleichheit, Geschlechtergerechtigkeit usw. und erst wenn man Gerechtigkeit auf diese Kriterien herunterbricht und sich ihnen einzeln widmet also deren Leerstellen ausfüllt, besteht die Chance soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Als positiv wurde vermerkt, dass aktuell die soziale Frage wieder intensiv in der öffentlichen Debatte steht, wenngleich diese noch mit konkreten Inhalten gefüllt werden müsse. Diese Chance sollten wir ergreifen und auch deutlicher werden, hieß es aus der Runde. Das Anliegen, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, müsse auch auf die Straße getragen werden, und mache breite Bündnisse nötig. Freude löste schließlich der symbolträchtige Frauenpowertee aus, den Barbara Oehmichen als kleines Dankeschön an die Gäste überreichte. Und zum Abschluss zeigte Judoka und Kreiskassierer Wolfang Küppers noch ein paar Techniken gegen Hilflosigkeit.