Ohne eine GRÜNE Handschrift gibt es auch keine GRÜNE Zustimmung

Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Peter Tertocha in der Ratssitzung am 13.12.2018 zum Tagesordnungspunkt “Haushalt 2019”.
Es gilt das gesprochene Wort:

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

die GRÜNE Fraktion wird heute zum dritten Mal hintereinander einen vorgelegten Haushaltsplanentwurf ablehnen. Höchste Zeit einmal zurückzublicken was sich gegenüber unserem Abstimmungsverhalten bis zum Jahr 2016 in den letzten drei Jahren geändert hat und warum wir auch diesmal nicht zustimmen können.
Ein Haushaltsplan ist für uns mehr als nur eine Auflistung einzelner Aufwendungen und Erträge. Er ist auch ein politisches Steuerungsinstrument, in dem die zukünftige Entwicklung einer Stadt aufgezeigt wird. Wo sollen in den nächsten Jahren innerhalb einer Stadt Schwerpunkte gesetzt werden und welche Gelder werden dafür zu Verfügung gestellt? Werden im Haushalt ausreichend Gelder zur Verfügung gestellt um die Lebensqualität zu sichern und zu verbessern?
Und hier vermisst die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch viele Themen, bei denen in den politischen Debatten der letzten Monate hier im Rat sogar auch mehr als einmal über Fraktionsgrenzen hinweg Einigkeit über die politische Notwendigkeit bestand. Es reicht uns aber nicht aus, dass von der Mehrheitsfraktion bei vielen GRÜNEN Forderungen auch die Notwendigkeit gesehen wird, aber wenn es dann wie zum Beispiel beim städtischen Haushalt konkret wird, dann werden diese Maßnahmen entweder nicht berücksichtigt oder zeitlich weit nach hinten geschoben.

Beispiel Bildungspolitik:
Für die Gesamtschule Berger Feld muss dringend ein Sanierungskonzept erstellt werden und nach unserer Auffassung nicht irgendwann „in den kommenden Jahren“.
Erstens, weil es dringend notwendig ist und in absehbarer Zukunft eine umfassende, aber wohl nicht wirtschaftliche Sanierung oder die Planung eines Ersatzbaus erforderlich ist. Und zweitens, weil es im Berger Feld sinnvoll ist, das neue Sportparadies und den Flächenbedarf des Ersatzbaus für die Gesamtschule planerisch aufeinander abzustimmen und beide Planungen zeitgleich anzugehen.
Eine Berücksichtigung der Planungskosten für eine Konkretisierung, mit der entsprechende Investitionen für die Folgejahre geprüft und möglichst bis Ende 2019 beschlossen werden können, hat die Ratsmehrheit aber abgelehnt.

Beispiel Öffentlicher Personennahverkehr:
Die Taktverkürzung der Straßenbahnlinie 302 ist ein wichtiger erster Schritt um den ÖPNV zu stärken, die Schadstoffbelastungen zu senken und die Lebensqualität in Gelsenkirchen zu erhöhen. Dazu muss diese Taktverkürzung aber auch endlich langfristig abgesichert werden. Und trotzdem ist es nur ein erster Schritt. Um eine Verkehrswende zu erreichen sind weitere Schritte notwendig und sie müssen vor allem auch mit den finanziellen Mitteln ausgestattet werden.
Dazu zählen für uns neben den Taktverbesserungen bei den Buslinien auch der Ringschluss der Linie 301 von Horst bis in die Gelsenkirchener Innenstadt, die Verlängerung der Linie 302 bis nach Hassel und eine Anbindung der Westfälischen Hochschule an das Straßenbahnnetz. Diese Ziele müssen nach unseren Vorstellungen auch im Haushalt abgebildet und finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Den GRÜNEN Antrag hierzu hat die Mehrheit allerdings auch abgelehnt.

Beispiel Radwege:
Die Stadt Gelsenkirchen hat den Radwegebau als wichtigen Baustein der Mobilität sowie als Mittel zum Kampf gegen den Klimawandel und Schadstoffwerte benannt. Diesen Worten sollten aber endlich auch mal Taten folgen und entspreche Gelder zur Verfügung gestellt werden, damit der Lückenschluss im Radwegenetz und die notwendige Sanierung von bereits vorhandenen Radwegen voran geht. Radwegeplanung ist für uns mehr als das Aufmalen einiger Schutzstreifen auf der Fahrbahn. Auch hier ist unser Antrag zur Aufstockung der notwendigen Gelder abgelehnt worden.
Wir bleiben in der Verkehrspolitik trotzdem bei unseren Forderungen nach einer Verkehrswende mit mutigen Schritten für den Ausbau der Radwege und insbesondere für eine bessere ÖPNV-Planung. Der SPD-Mehrheit fehlt hierfür ganz offensichtlich dieser Mut.

Weitere Beispiele:
Eine Erhöhung der Gelder für den Nienhof e.V. für präventive Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern wurde ebenso abgelehnt wie die finanzielle Absicherung des Kulturzentrums Wohnzimmer und die Einführung eines städtischen Kunstpreises. Auch die Aufstockung der Gelder für Dach- und Fassadenbegrünung ist abgelehnt worden.

Thema Grundsteuer:
Wir bleiben auch weiterhin bei unserer ablehnenden Haltung zur drastischen Erhöhung der Grundsteuerhebesätze, die alle Haushalte in Gelsenkirchen belasten wird. Wohnen ist in den letzten Jahren immer teurer geworden und diese Erhöhung wird die Nebenkosten weiter erhöhen. Dies halten wir GRÜNEN für den falschen Weg.
Hier gab es bei der SPD-Fraktion noch nicht einmal einen Hauch von Gesprächsbereitschaft. Hätten Sie mal ausnahmsweise etwas Interesse gezeigt, hätte man mit uns durchaus über andere Wege diskutieren können. Zum Beispiel über eine deutlich geringere Erhöhung der Grundsteuerhebesätze in Kombination mit einer leichten Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze.
Oder über eine befristete Erhöhung der Grundsteuerhebesätze – allerdings nicht in der geplanten Dimension. Verwaltung und SPD-Fraktion haben sich aber dafür entschieden, die Erhöhung von 9 Millionen pro Jahr direkt bis zum Jahr 2028 in den Haushaltssanierungsplan aufzunehmen. Vor einem Jahr haben sie den damaligen Haushaltsplan noch als großen Erfolg gewertet, jetzt soll diese Steuererhöhung in den nächsten 10 Jahren Mehreinnahmen von insgesamt über 90 Millionen Euro in die Kassen der Stadt Gelsenkirchen spülen.

Allein diese Beispiele hätten für eine Ablehnung des Haushalts schon locker ausgereicht. Es geht aber bei der Gesamtbewertung auch um das „Wie“! Wir GRÜNEN sind da nun wirklich nicht empfindlich und von der Gelsenkirchener SPD im Laufe der Jahre auch schon einiges gewohnt. Aber dieses Jahr wurde das Ganze noch einmal überboten.
Von Haushaltsgesprächen kann man zumindest zwischen GRÜNEN und SPD mittlerweile nicht wirklich mehr sprechen. Es hat kurz vor Ende der Beratungen ein 45-minütiges Gespräch gegeben. Das war alles! In diesem Gespräch sind uns noch mal und noch mal und noch mal die immer gleichen Bewertungen zu unseren Anträgen von der SPD-Fraktion genannt worden, die wir auch schon in den Ausschussberatungen von der Mehrheitsfraktion gehört hatten. Was soll das? Wahrheitsbeweis durch stetiges Behaupten? Und nach 45 Minuten stand da ziemlich genau Null Entgegenkommen auf der Anzeigetafel der SPD-Fraktion.
Es hat vor vielen Jahren mal zwischen den Fraktionen den Gelsenkirchener Konsens gegeben. Mit diesem wurde eine breite politische Mehrheit innerhalb des Rates gesucht und eine Basis für einen gemeinsamen Haushalt gefunden. Dazu gehörten aber auch Gespräche und Kompromisse von allen Beteiligten. Davon sind wir heute weiter denn je entfernt. Weil die SPD-Fraktion weiterhin ihr Ding durchzieht. Welchen Sinn haben denn solche Gespräche bzw. solch ein Gespräch in der 2018er-Version? War ihre Erwartungshaltung etwa, dass wir auf alle unsere Forderungen verzichten und möglichst kommentarlos ab sofort nur noch der SPD zustimmen?

Von einer nachhaltigen Haushaltspolitik kann man mittlerweile gar nicht mehr sprechen. Und natürlich haben die Landes- und die Bundesregierung daran einen großen Anteil. Die Unsitte, dass dort Maßnahmen beschlossen werden, bei denen immer wieder ein großer Teil der finanziellen Belastung bei den Städten und Gemeinden hängt bleibt, hat sich in den letzten Jahren weiter fortgesetzt.
Und welche Folgen ein Zinsanstieg für eine verschuldete Stadt haben könnte, kann sich jeder leicht an weniger als fünf Fingern ausrechnen. Insofern sind die Initiativen der Landtagsfraktionen von GRÜNEN und SPD für die Einrichtung eines kommunalen Altschuldenfonds zur Tilgung der kommunalen Kredite der richtige Weg. Dadurch könnten die Städte und Gemeinden von einem Großteil der Schulden und vom Zinsrisiko befreit werden. Insofern ist die Haltung der nordrhein-westfälischen CDU, die irgendwo zwischen „zögerlich“ und „ablehnend“ grob zu verorten ist, ein Schlag ins Gesicht der Kommunen.

Zurück zum Gelsenkirchener Haushaltsplan. Dass die SPD-Fraktion in letzter Sekunde und nach einiger Gegenwehr im Verkehrsausschuss und im Hauptausschuss doch noch Zustimmung beim GRÜNEN Antrag zum barrierefreien Umbau der Straßenbahn-Haltestelle an der Arena signalisierte, freut uns. Mit dem Kompromissvorschlag des Oberbürgermeisters dies zeitlich etwas nach hinten zu schieben und als Ziel bis zum Jahr 2024 festzuschreiben, können wir GRÜNEN sehr gut leben. Und es zeigt uns, dass Hartnäckigkeit manchmal doch zum Erfolg führt.

Aber für eine Zustimmung unserer Fraktion zum Gesamthaushalt reicht das noch nicht einmal ansatzweise aus. Ohne eine GRÜNE Handschrift gibt es auch keine GRÜNE Zustimmung. Und deshalb lehnen wir diesen Haushaltsplan ab.

Glückauf!