Bürgerhaushalt abgeschafft 19. Mai 2017 Rede von Peter Tertocha in der Ratssitzung am 18.05.17 zum Tagesordnungspunkt „Verbesserung der Bürgerbeteiligung im Haushaltsberatungsverfahren“ – es gilt das gesprochene Wort: Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, um es direkt an den Anfang zu stellen: Die GRÜNE Fraktion wird der Vorlage zur Abschaffung der Bürgerbeteiligung im Haushaltsberatungsverfahren nicht zustimmen. Offiziell firmiert der Antrag zwar unter dem Titel „Verbesserung der Bürgerbeteiligung“, aber wir können bis heute noch nicht einmal im Ansatz erkennen, was denn nun die Verbesserung im neuen Verfahren sein könnte. Im Kern wird der bisherige Bürgerhaushalt durch mehrere Bürgerversammlungen ersetzt. Wir haben zunächst mal überhaupt nichts gegen Bürgerversammlungen. Ganz im Gegenteil, sie hätten eine gute Ergänzung zum bestehenden Bürgerhaushalt sein können. Aber sie können kein Ersatz für eine echte Bürgerbeteiligung sein. Und der Bürgerhaushalt war für uns GRÜNE ein Instrument echter Bürgerbeteiligung. Durchaus verbesserungsfähig. Auch dies haben wir frühzeitig signalisiert. Bürgerversammlungen sind ein Mittel, auch die verstärkte Einbindung der Bezirksvertretungen wäre bei dem bisher existierenden Bürgerhaushalt möglich gewesen. Sie sind jedoch kein Ersatz für den Bürgerhaushalt. Das ist der entscheidende Unterschied. Das neue Verfahren ist eine enorme Verschlechterung für die Bürgerbeteiligung innerhalb der Stadt Gelsenkirchen. Und da die Gelsenkirchener Sozialdemokraten sich beim Bürgerhaushalt immer gerne in Prozentrechnung versuchen, hier noch mal ein Beispiel: Bislang dauerte die Vorschlagsphase 6 Wochen, macht etwas über 1000 Stunden. Wie viel Stunden sind es zukünftig? Eine oder zwei? Wie viel Prozent sind das? Und was ist daran eine Verbesserung? Die Bewertungsphase dauerte bislang auch 6 Wochen, jetzt soll möglichst am gleichen Abend der Bürgerversammlung ein Ranking erstellt werden. Ehrlich gesagt, können wir auch da nicht unbedingt eine Verbesserung erkennen. Transparenz war eine der Stärken des bisherigen Verfahrens. Auch diese bleibt größtenteils auf der Strecke. Hören wir also endlich auf damit, bei diesem neuen Verfahren von einer Verbesserung zu sprechen. Es ist eine deutliche Verschlechterung und es ist eine Beschneidung der Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger. Ja, die Teilnehmerzahlen waren in den letzten Jahren beim Bürgerhaushalt leicht rückläufig. Wir GRÜNEN stellen uns in solch einer Situation die Frage, warum dies so ist und wie man das Projekt wieder attraktiver gestalten kann. Und beschäftigen uns nicht mit der Abschaffung eines Instruments der Bürgerbeteiligung, bei dem in den letzten Jahren viele Menschen mitgemacht haben. Wir werden uns das neue Verfahren genau ansehen und bewerten. Und im Hinterkopf haben, dass über 1000 Personen beim Bürgerhaushalt im letzten Jahr als Teilnehmer registriert waren. Wir sind auf die Teilnehmerzahlen bei den dreistündigen Bezirksforen gespannt. Mandatsträger und Verwaltungsmitarbeiter ziehen wir davon natürlich ab und schauen uns dann mal die echten Teilnehmerzahlen im Vergleich an. In anderen Städten läuft das Projekt Bürgerhaushalt erfolgreich. Warum? Dort hatte man den Willen, das Projekt weiterzuentwickeln und Anträge aus der Bevölkerung nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Politik zu sehen. Sondern ernst zu nehmen. Was ist denn mit der heutigen Sitzungsvorlage, die auf Initiative der SPD-Mehrheitsfraktion erstellt wurde, vom bisherigen Bürgerhaushalt noch übrig geblieben. Eigentlich gar nichts. Es ist das alte, klassische Denken: Bürgerinnen und Bürger sollen sich an die Politiker wenden und die entscheiden dann. Und das soll uns auch noch als Verbesserung der Bürgerbeteiligung verkauft werden. Oder um es abschließend noch mal in einem Satz zusammenzufassen: Das ist noch nicht einmal die Light-Version eines Bürgerhaushalts, das ist Audienzgebaren statt echter Bürgerbeteiligung.