Haushaltsrede von Peter Tertocha

[Rede]

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

kein Geld in der Kasse, ein vorgelegter Haushaltsplanentwurf, der angeblich komplett auf Kante genäht ist und sowieso keine Spielräume mehr bietet und politische Mehrheitsverhältnisse, in der eine Partei die absolute Mehrheit hat – es gibt günstigere Ausgangssituationen für eine Oppositionspartei als die hier in Gelsenkirchen.

Wir GRÜNEN könnten es uns ganz einfach machen, das „DAGEGEN“-Schild hochhalten, die SPD den Haushalt einfach mal machen lassen und danach an allem rummäkeln. Machen wir aber nicht, so machen wir nicht Politik. Damit wir gar nicht erst missverstanden werden: An den Inhalten und dem Politikstil der SPD haben wir trotzdem reichlich zu kritisieren.

Das einfach nur „Dagegen“-Sein überlassen wir trotzdem anderen. Unsere Vorstellungen von konstruktiver Kommunalpolitik sehen anders aus.

Dabei sind für uns Mehrausgaben kein Tabu. Sparen „ja“, Investieren aber auch „ja“ und Verbesserung der Lebensqualität in Gelsenkirchen erst recht „ja“. Und dafür muss man auch Geld in die Hand nehmen. Dafür muss man übrigens auch nicht um Entschuldigung bitten. Zukunftsorientierte Politik ist nicht mit Sparen um jeden Preis zu verwirklichen.

Also haben wir den vorgelegten Entwurf durchgearbeitet und überlegt, an welchen Stellen wir strukturelle Verbesserungen erreichen wollen und können. Natürlich war und ist der Haushaltsplan 2016 weit von GRÜNEN Zielvorstellungen entfernt. Aber trotzdem haben wir uns entschieden, dass wir den Haushalt mittragen würden, wenn es uns gelingen würde, dort mehrere GRÜNE Duftmarken zu setzen.

Und das ist uns gelungen. Und deshalb wird die GRÜNE Fraktion bei der Abstimmung zum Haushaltsplan nachher auch mit „Ja“ stimmen.

Es ist uns gelungen, für einen großen Teil unserer Änderungsanträge eine politische Mehrheit zu finden. Dazu zählen beispielhaft die finanziellen Mittel für die Freifunk-Initiative (manchmal sind auch 1000 Euro viel Geld), die 20.000 Euro für die Sicherstellung des Projekts „Kolleg21“ im Bildungsbereich oder die Wiedereinsetzung des Ziels „Verlängerung der Straßenbahnlinie 302“. Am Ende war es aber die Zustimmung zu unseren beiden Schwerpunktanträgen, die für eine GRÜNE Zustimmung zum Haushalt ausschlaggebend war.

Stichwort Radwegenetz in Gelsenkirchen: Vielleicht noch einmal zur Erinnerung. Vor zwei Jahren waren 92 Kilometer Lücken im Gelsenkirchener Radwegenetz und der Zustand der vorhandenen Radwege war (und ist es auch noch heute) teilweise mehr als schlecht. 300.000 Euro waren im Haushaltsplan des letzten Jahres eingestellt, auf GRÜNE Initiative wurde der Betrag auf 600.000 Euro erhöht. Trotzdem war auch dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein, die Lücke beträgt aktuell immer noch über 87 Kilometer.

Wenn so weitergemacht werden würde, hätten wir frühestens 2050 ein geschlossenes Radwegenetz in Gelsenkirchen. Das war und ist für uns völlig inakzeptabel. Also haben wir eine Aufstockung auf 1.000.000 Euro gefordert und auch durchgesetzt. Und viel wichtiger noch: Es gibt ab 2016 in Gelsenkirchen endlich ein Aktionsprogramm Radwegebau, das jährlich vorgelegt wird und über das entschieden wird. Worauf wir aber genau achten werden: Die von uns beantragten Gelder sind Gelder für strukturelle Verbesserungen, sie sind nicht der Haushaltstopf, aus dem Geld genommen werden kann, wenn im Zuge einer Straßensanierung sowieso ein neuer Radweg gesetzlich vorgeschrieben ist.

Stichwort Baumschäden Ela: Der Sturm Ela ist fast anderthalb Jahre her und überall im Stadtbild sieht man noch die Folgen. Von einer schleppenden Wiederaufforstung zu sprechen, wäre eine schamlose Übertreibung. An Neupflanzungen wird nur wenig mehr vorgenommen als in den Vor-Ela-Jahren. Vieles bleibt einfach so wie ist. Wir haben den Eindruck, dass Umweltschutz und Bäume für Gelsendienste offensichtlich nicht systemrelevant sind. Man hat kein Geld, macht man vielleicht mal später. Oder vielleicht viel später – oder vielleicht auch gar nicht. Das ist nicht unser Ansatz.

Die von uns beantragten zusätzlichen 300.000 Euro werden, je nachdem was Gelsendienste selbst leisten kann oder ob andere Firmen diese Arbeit übernehmen müssen, für 300 bis 500 zusätzliche Bäume im Stadtgebiet sorgen. Das Ganze ist nur ein Anfang – es wird aber auch langsam mal Zeit, dass wir mehr als nur kleine Schritte machen.

Aber zurück zum Gesamthaushalt: Wir werden ihm zustimmen aber verschließen trotzdem nicht die Augen davor, dass die Gemeindefinanzierung seit über 20 Jahren ein Dauerproblem ist, bei dem Bund und Land in wechselnder politischer Konstellation immer wieder den Städten und Gemeinden nicht das Geld für die Aufgaben geben, die sie ihnen vorher aufgedrückt haben.

Es ist und bleibt ein Unding, dass auf Bundes- und Landesebene politisch entschieden wird, was auf kommunaler Ebene gemacht werden soll und muss, und man sich gleichzeitig darüber freuen soll, wenn man einen Großteil der hierfür nötigen Gelder bekommt. Die GRÜNE Forderung ist eine andere: Was Bund und Land beschließen, sollen sie gefälligst auch bezahlen. Und zwar vollständig.

Das ist das Kernproblem der katastrophalen Finanzlage insbesondere der Städte im Ruhrgebiet. Nicht unnötige Ausgaben, die man einfach nur mal reduzieren müsste und schon wäre wieder genug Geld da. So einfach ist die Sache nicht. In Gelsenkirchen ist seit Jahren und Jahrzehnten gespart worden. Da ist nichts mehr zu kürzen, ohne dass die Lebensqualität in der Stadt weiter reduziert wird. Sparen kann man immer, aber eine Stadt, in der als Folge das Leben immer unattraktiver wird, braucht niemand.

Konsolidierungshilfen sind auch keine großzügigen Geldgeschenke von Bund und Land an die Kommunen, es handelt sich um Gelder, die den Gemeinden sowieso zustehen.

Zum Abschluss noch zwei Sätze zum Bürgerhaushalt. Wir GRÜNEN stehen dafür, dass es auch im nächsten Jahr wieder einen Bürgerhaushalt geben wird. Dies schon mal als Vorabinfo an all diejenigen, die derzeit über eine zeitliche Streckung, eine Pause oder ein Abspecken des Projekts nachdenken. Bürgerbeteiligung ist für uns auch beim Haushalt keine Sache, die man mal machen kann, wenn man genügend Geld hat, sondern eine politische Selbstverständlichkeit. Ja, Demokratie kostet Geld.

Wir stimmen heute dem Haushalt zu und freuen uns auch auf die Haushaltsberatungen im nächsten Jahr. Und fassen Sie es bitte nicht als Drohung sondern als Versprechen auf, wenn ich Ihnen sage, dass wir auch im nächsten Jahr alte und neue GRÜNE Anträge präsentieren und uns für deren Umsetzung einsetzen werden. Die Umsetzung GRÜNER Projekte wird auch zukünftig immer wieder neu ausschlaggebend für die Frage sein, ob wir einem Haushalt zustimmen oder nicht.

Glückauf

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