Gegen jeden Antisemitismus!

Am Mittwoch, den 12. Mai, formierte sich ein nicht angemeldeter Demonstrationszug von etwa 180 Menschen, der sich vom Bahnhofsvorplatz in Richtung der Neuen Synagoge bewegte und dabei antisemitische Parolen skandierte. Solche antijüdischen Vorfälle ereigneten sich nicht nur in Gelsenkirchen, sondern auch in anderen Städten wie Münster und Bonn, aber das besorgniserregende Videomaterial von der Gildenstraße erreichte eine enorme Verbreitung in zahlreichen Medien und privaten Kanälen und löste Schrecken sowie Empörung aus.

Denn unter dem Vorwand der Israelkritik angesichts des sich zuspitzenden Nahostkonflikts kam es bei dem Auflauf zu Szenen, die mehr mit einem Mob als einer Demonstration gemein hatten, zu Bildern und Parolen, die unweigerlich an Ereignisse aus der NS-Zeit erinnern ließen.

Egal, welche persönliche Haltung man in der komplizierten und jahrzehntelangen Konfliktlage zwischen Israel und Palästina vertritt: Das demokratische Recht zur freien Meinungsäußerung und Demonstration endet dort, wo Hass, Hetze sowie menschenfeindliche Äußerungen und Handlungen stattfinden. Wenn sich menschenverachtende Haltungen hinter einer vermeintlichen Politikkritik verstecken wollen, müssen sie offenbart und benannt werden.

Für uns Grüne steht unumstößlich fest: Antisemitismus ist keine Meinung und faschistische Einstellungen sind unvereinbar mit unseren gemeinsamen demokratischen Grundwerten.

Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen und allen Jüdinnen und Juden, die in unserer Stadt ihr Zuhause haben. Wir stellen unmissverständlich klar, dass der Schutz jüdischen Lebens und jüdischer Einrichtungen zu jeder Zeit sichergestellt sein muss.

Wir verurteilen die antisemitischen Vorfälle aufs Schärfste und geben deutlich zu verstehen, dass es in Gelsenkirchen keinen Platz für Menschen gibt, die das friedliche Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft stören wollen oder gefährden und andere erniedrigen oder bedrohen.

Unser Dank und unsere Wertschätzung gilt den bürgerschaftlichen Initiativen (Bündnis gegen Antisemitismus und Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung) und allen Gelsenkirchener*innen, die sich in den letzten Tagen zügig und engagiert an die Seite der jüdischen Gemeinde gestellt haben und zu Solidaritätskundgebungen zusammenkamen. Auch die Demokratische Initiative nahm dabei eine wichtige Rolle ein. Danke auch an die Polizeikräfte, die durch ihren schnellen Einsatz schlimmere Ausschreitungen verhindert haben.

Entsprechend haben wir gemeinsam mit SPD, CDU und FDP die Resolution „Gegen jeden Antisemitismus: Erklärung des Rates der Stadt Gelsenkirchen zu den antisemitischen Vorfällen am 12. Mai 2021 und für jüdisches Leben in Gelsenkirchen“ am 20. Mai in den Rat eingebracht und auch verabschiedet, was ein eindeutiges Zeichen gesendet hat.

Die Ereignisse in Gelsenkirchen und anderswo haben eine öffentliche Debatte ausgelöst: Hat die Bundesrepublik ein Problem mit Antisemitismus und wie kann ihm wirksam entgegengetreten werden? Dabei wird immer wieder die These vertreten, dass die Zunahme antisemitischer Einstellungen in unserer Gesellschaft eng mit der Einwanderung von Muslim*innen verknüpft sei.

Es ist wichtig und notwendig, die Lage Bezüglich des Antisemitismus in Deutschland zu analysieren und eine aufrichtige Debatte darüber zu führen. Dabei darf es aber nicht zu verkürzten Erklärungen kommen, die Rassismen bedienen und Minderheiten gegeneinander ausspielen. So zu tun, als wenn Antisemitismus aus der Bundesrepublik jemals verschwunden und bloß „importiert“ sei, ist ignorant und gefährlich – und wird unserer Geschichte nicht gerecht.

Fest steht, kaum eine jugendliche Person, ungeachtet der eigenen Religion, Ethnie oder Herkunft, weiß heutzutage etwas Genaueres über den Nahostkonflikt oder hat nennenswerte Kenntnisse zu Israel. Das Thema Judentum taucht in der Schulbildung im Kontext der NS-Ideologie und des Holocausts und bestenfalls noch im Religionsunterricht auf. Außerhalb der Schule fehlt es an Bildungsangeboten und Begegnungsräumen, um lebendiges Judentum zu erfahren.

Statt Antisemitismus zum Problem einer einzelnen Gruppe zu machen, sollten wir grundsätzlich anerkennen, dass er weit und quer durch die Gesellschaft verbreitet ist. Wir sollten alle Akteur*innen ansprechen und ins Boot holen, die sich für ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt einsetzen und den interreligiösen und -kulturellen Dialog stärken wollen und dabei auch in ihren eigenen Communities Aufklärung und Austausch vorantreiben.

Deutschland hat ein Antisemitismus-Problem, welches unterschiedliche Ursachen aufweist und verschiedene Formen annimmt. Wir werden allen Auswüchsen davon weiterhin entschieden entgegentreten.