Rede des Stadtverordneten Patrick Jedamzik im Rat der Stadt am 28.09.2023 zu TOP 7 „Energetische Standards und Planungsvorgaben für den klimagerechten Neubau und die Sanierung städtischer Liegenschaften der Stadt Gelsenkirchen“

Foto: Anna-Lisa Konrad

Die Rede ist über den offiziellen Livestream der Stadt hier verfügbar und beginnt etwa bei 7:05:00.

Es gilt das gesprochene Wort.

Im Februar dieses Jahres haben wir hier beschlossen, dass die Stadt Gelsenkirchen als Verwaltung, mit Eigenbetrieben und städtischen Gesellschaften die bilanzielle Klimaneutralität „wenn möglich“ bis 2040 erreichen soll.

Ich komme zu einigen dieser Formulierungen nochmal zurück, aber die Sanierung und natürlich der Neubau von öffentlichen Gebäuden stellen einen wesentlichen Kern dessen dar, wo die Stadt ihren Einfluss zum Klimaschutz nehmen kann.

Wir haben damals schon viel über den Anteil gesprochen, den die Verwaltung an der Treibhausgasemissionen hat und wieviel Einfluss sie hat, aber es geht besonders um die Vorbildfunktion, den die Stadt haben sollte.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um die große Herausforderung nochmal deutlich machen, vor der wir stehen: Gesamtstädtisch müssen wir für unseren Beitrag zum 1,5 Grad Ziel – sofern man dies überhaupt noch für realistisch hält – die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 70% reduzieren.

Das ist ein ehrgeiziges Ziel und meine Erinnerung soll dabei ausdrücklich nicht an die Verwaltung gerichtet sein. Denn die Vorlage, die wir bekommen haben, hat dieses Ziel vor Auge und findet prinzipiell unsere Unterstützung.

Die noch stärker betonte Einrichtung von PV-Anlagen und Dachbegrünung ist seit Jahren immer wieder Fragestellungen der GRÜNEN gewesen und beides trägt unter anderem sowohl zur Energiewende, dem Artenschutz und auch dem Schutz bei Starkregenereignissen bei.

Die Zielsetzung von bilanziellen Nullemissionsgebäuden ist nur zu begrüßen und wir hatten heute schon den Punkt des neuen Zentralbades, der zeigt, dass selbst mit der Aufgabe, Wasser zu heizen und angenehme Temperaturen zu erreichen, eine solche Zielsetzung nicht unmöglich ist.

Gerade der Blick auf die Lebenszykluskosten verbessert sowohl die wirtschaftliche Einschätzung eines Baus, als auch die Umweltfreundlichkeit und zeigt eben, dass Ökonomie und Ökologie öfter Hand in Hand gehen, als oft getan wird. Wenn es sich lohnt, heute etwas mehr Geld zu investieren, um langfristig zu sparen, ist dies der Kern verantwortungsbewussten Handels.

Insofern begrüßten wir die Vorlage der Leitlinien. Man mag immer über die ein oder andere Formulierung streiten, aber wichtig ist für uns die angestrebte Richtung.

Für die Transparenz und den Umgang mit etwas schwammigeren Aussagen, hatten wir beantragt, dass größere Abweichungen auch in der Beschlussvorlage benannt werden. Es gab Zeiten, wo GRÜNE bei jedem Bauprojekt nachfragen mussten, ob Photovoltaik oder Dachbegrünung geplant sind, die Frage müssen wir schon einige Zeit nicht mehr stellen und beides sind wesentliche Elemente der Bauplanung. Offen darzustellen, wieso eine bestimmte Maßnahme nicht so umgesetzt werden kann, wie gewünscht, ist für uns keine Rechtfertigung, sondern ein Beitrag zur Transparenz in Bauverfahren und eine Darstellung der Probleme, die sich stellen mögen.

Wir wollten zudem die Leitlinien auch für Tochtergesellschaften und Eigenbetriebe stärker einbeziehen. Immerhin unterliegen sie der gleichen Zielsetzung des Klimakonzepts, wie die Stadtverwaltung selber.

Beide Anträge haben wir unmittelbar nach Vorlage der Leitlinien am 5. September in die Gremien gebracht, um sie zu diskutieren und nach Kompromissen zu suchen. In der letzten Woche haben wir nun den Antrag der Großen Koalition bekommen und finden hier schon wieder etwas vor, was wir ähnlich beim Mobilitätskonzept erlebt haben: Zwar wurde hier der Sinn des Antrages nicht umgedreht, wie wir es da erlebt haben, aber wir erleben wieder eine Verwässerung.

Und wir erleben wieder die gleiche Zögerlichkeit, wie beim Klimakonzept. Sogar fast wortgleich. Im Februar habe ich hier gestanden und betont, wie zögerlich Sie bei der Zielsetzung der Klimaneutralität für den Einflussbereich der Stadt bis 2040 waren. Mehr als „wenn möglich bis 2040“ war mit Ihnen nicht zu machen.

Wir haben damals einen gemeinsamen Änderungsantrag eingebracht und beschlossen und meine Kritik an Ihrer Zögerlichkeit wurde von Ihnen mit Unverständnis aufgenommen. Aber man erkennt eben an der praktischen Umsetzung, wie ernst man ein Ziel nimmt. Will man Klimaneutralität möglich machen oder mit „möglich“ möglichst überall langsam agieren?

So bringen Sie jetzt ein, dass der Energiestandard nach KFW 40 „nach Möglichkeit“ angewendet werden soll. Dazu kann man zwei Dinge sagen:

1. Die Verwaltung hat das Ziel seit dem Klimanotstand angewandt. Also war es ja bisher offensichtlich möglich.

2. Wenn es nicht möglich ist, macht man es nicht. Ganz einfach. Die Leitlinien lassen ja generell Abweichungen zu und es ist dann Aufgabe von Politik, diese zu bewerten.

Aber gut. Wenn das eh passiert, kann uns das ja egal sein. Würden wir allein deswegen ablehnen? Sicherlich nicht. Trotzdem muss ich leider sagen, dass wir dies gleich tun werden.

Der Grund ist zusätzlich die Frage des Umgangs mit den Tochtergesellschaften. Gemeinsam haben wir im Februar gerade diese aufgenommen und mit in die Pflicht genommen. Mit dem Absatz:

„In seiner Vorbildfunktion gegenüber der gesamten Stadtgesellschaft verfolgt der Rat der Stadt (…) die Absicht, die bilanzielle Klimaneutralität – wenn möglich bereits 2040 – in der Verwaltung, den Eigenbetrieben und den städtischen Gesellschaften zu erreichen.“

haben wir, in dem gemeinsamen Antrag von ihnen der GroKo, uns GRÜNEN und der FDP Eigenbetriebe und städtische Gesellschaften erst in das Klimakonzept aufgenommen.

Wir haben sie uns also gemeinsam als Antrag eingebracht und denen ein Ziel gesetzt, aber als Eigentümer oder Gesellschafter Einfluss zu nehmen, um dieses Ziel zu erreichen, ist dann zu viel und zu einschränkend?

Was wir wieder erleben ist halbherziges Engagement zum Klimaschutz. Anders als beim Mobilitätskonzept stellen sie sich zumindest nicht dagegen, verbieten der Verwaltung nichts und darum wir haben weiterhin das Vertrauen in diese, dass sie das Zögern ihrerseits nicht nutzen wird und wir die guten Leitlinien auch in Tochtergesellschaften erleben werden.

Klimaschutz braucht natürlich Realismus, aber er braucht auch Engagement und klare Zielvorstellungen. Zögern und Zurückhaltung hat uns in den letzten 20 Jahren in die Situation gebracht, in der wir heute sind.

Selbst wenn unsere Anträge abgelehnt worden wären, hätten wir der ursprünglichen Vorlage wahrscheinlich trotzdem zugestimmt, weil es uns nur um Details ging. Aber wir werden der Abschwächung nicht zustimmen und lehnen die Vorlage darum – so die Änderungen angenommen werden – gleich leider ab. Schade, denn eine Zustimmung wäre wirklich möglich gewesen.