Viel gelernt – und Anregungen für die Zukunft mitgenommen

Bericht von der Fahrradtour „Nachhaltigkeit und Bildung in Gelsenkirchen“, Sonntag, 3. September 2017

veranstaltet vom Kreisverband der Grünen Gelsenkirchen in Kooperation mit dem ADFC

Etwa 20  gut gelaunte Radlerinnen und Radler starteten um kurz nach 11 Uhr von der Ebertstraße Richtung Stadtnorden. Hauptsächlich auf Fahrradwegen und ruhigen Straßen ging es 12 Kilometer zur ersten Station, dem Biomassepark Hugo. Auf der renaturierten Fläche des ehemaligen Bergwerks hat die RAG Montan Immobilien hier eine Parkanlage mit schnell wachsenden Gehölzen angelegt, die durch ihr Wachstum die CO2-Bilanz verbessern und zur Energiegewinnung genutzt werden. Hier wurde nicht nur Grün für die Menschen in der Stadt geschaffen, sondern es haben sich auch bedrohte Tierarten wie die Kreuzkröte  angesiedelt. Ergänzt wird das Ensemble durch Gemeinschaftsgärten, die auch Kitas, Grundschulen und verschiedenen Organisationen zur Umweltbildung dienen sowie ein „Landschaftslabor“ (Biotop). Sogar ein Volleyballfeld ist vorhanden.

Containerverzierung

Finanziert über die Stiftung Lebendige Stadt gibt es 6 Container, die als Lager und Anlaufstellen zur Verfügung stehen – darunter ein Bodenlabor-Container. Es finden dort umweltpädagogische Fortbildungen für Multiplikatoren statt, außerdem sind regelmäßig zwei bis drei Grundschulklassen pro Woche dort, auch der Agenda-Verein, die Falken, das Lalok und der Mädchengarten sind dort aktiv. Durch die Beteiligung von Jugendlichen und Anwohnern, die den Park gern als Treffpunkt nutzen, ist kaum Vandalismus zu vermelden. Ein Imker produziert den beliebten Hugo-Honig. Ein hoch interessantes Beispiel für die postindustrielle Nutzung einer Industriebrache.

Über Schleuse, Emscherinsel und Nordsternpark erreichten wir dann den außerschulischen Lernort  Ziegenmichelhof in Heßler. Seit 1398 gab es an dieser Stelle bäuerliches Leben, wie die Betreiber erst kürzlich mit Hilfe des Instituts für Stadtgeschichte herausgefunden haben. Dort wird nicht nur im inklusiven Betrieb Landwirtschaft und ein Pferdehotel betrieben, es gibt auch pädagogische Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Auch für Tagungen und Feste stehen die urigen

Michael Lorenz begrüßt

Räumlichkeiten im Grünen zur Verfügung. Hier gab es für alle Erfrischungen und einen Imbiss mit leckeren Produkten des Hofes und der Ziegenmichel-Cafés im Nordsternpark und in Nienhausen. Der Ziegenmichel, wie Michael Lorenz genannt wird, ist besonders stolz darauf, dass erst kürzlich die UNESCO dort eine internationale Tagung zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung ausgerichtet hat. Außerdem betreibt der Ziegenmichelhof die Kinderburg im Revierpark Nienhausen sowie eine Außenstelle am Spielplatz im Nordsternpark. Mit zahlreichen Kooperationspartnern erreichen die Bildungsangebote etwa 3.500 Kinder im Jahr. Nicht nur in der Umweltbildung ist der Ziegenmichelhof engagiert, auch das Wissen um unsere Vergangenheit und Medienbildung ist wichtig. So gibt es jährlich eine Holocaust-Gedenkstättenfahrt mit Jugendlichen, zuletzt entstand aus einer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust eine Ausstellung „Auschwitz – Ein Tag im Lager“. Diese war bereits im Musiktheater im Zusammenhang mit den Aufführungen der Oper „Die Passagierin“ zu sehen und ist aktuell ab Samstag, 9.9. (bis zum 24.9.) in der Künstlerzeche Unser Fritz in Herne. Irene Mihalic sagte zu, die Möglichkeit der Präsentation im Deutschen Bundestag zu prüfen.

Am Hafen beeindruckte der Betrieb ZINQ  damit, dass Ressourcen schonende Qualität und Stahlveredelung zusammengehen können. Dafür kam der mittelständische Betrieb 2016 in die engste Wahl für den deutschen Nachhaltigkeitspreis. Der Leiter der Abteilung Forschung, Entwicklung und Nachhaltigkeit, Dr. Thomas Pinger, kam eigens am Sonntag, um der Gruppe zu erklären, wie es dazu kam und was nachhaltiges Denken für die Industrieproduktion bedeutet.

Verzinktes Nashorn am Eingang

In Fall von ZINQ geht es darum, nicht nur ihre Produktion mit möglichst wenig Energie- und Materialaufwand zu betreiben, sondern auch später den verwendeten Zink wieder zu gewinnen (Stichworte: Kreislaufwirtschaft, Recycling, Cradle-to-Cradle). Das wollen wir uns gerne noch einmal genauer und mit mehr Zeit ansehen – denn so funktioniert zukunftsfähige industrielle Produktion.

Über die Schleuse und die Emscherinsel ging es nach Bismarck mit den beispielhaften Bauprojekten Solarsiedlung und Evangelische Gesamtschule. Die Siedlung war 1998 das erste Projekt des Programms „50 Solarsiedlungen in NRW“. „Wohnen mit der Sonne“ hat sich bewährt, Verbrauchsprüfungen bestätigten die anspruchsvollen Ziele der Energieeinsparung. Die Gesamtschule ist eine Symbiose von ungewöhnlicher Architektur, Öffnung zum Stadtteil, einer Pädagogik, die Kinder gerne annehmen, sowie dem Ziel der Bewahrung der Schöpfung. Wolfram Schneider konnte uns Interessantes zur Planungsphase erzählen. Die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an Planung und Gestaltung ihrer Schule ist dabei besonders erwähnenswert. Denn immer wieder zeigt sich, wo Betroffene zu Beteiligten werden, ist die Identifikation mit Lern- und Lebensorten größer als dort, wo das nicht geschieht. Vandalismus kommt dort kaum vor.

Durch Grünzüge ging es weiter zum Mädchengarten auf dem ehemaligen Güterbahnhof Schalke, getragen vom Maria-Sibylla-Merian e.V.  Leiterin Renate Janßen erläuterte dieses deutschlandweit einzigartige Projekt, in dem Mädchen sich in einem geschützten Raum erproben und ihre handwerklichen Fähigkeiten entdecken können. Sie pflanzen hier Kräuter, Färberpflanzen, Obst und Gemüse an und verarbeiten die Gewächse. Mal wird hier gebuddelt und gesägt, mal Kreatives gestaltet, mal experimentiert und manchmal einfach nur gechillt. Kürzlich lief ein Ferienprogramm unter der Überschrift „Einhorn“, aktuell wird unter

Hier entsteht etwas

Nutzung von natürlichen Materialien und Sonnenenergie Wolle für eine spätere Verwendung gefärbt. Chronisch unterfinanziert freut sich der Mädchengarten über Spenden, um das derzeit einmal wöchentliche Angebot erweitern zu können.

Im Stadtsüden erradelt sich die Gruppe den Industriewald Rheinelbe, der im Rahmen der IBA Emscher Park entstand um die brach gefallenen Industrieflächen und vielfach durch Spontanvegetation bewaldeten Gebiete öffentlich zugänglich zu machen. Neben der bekannten „Himmelsleiter“ gibt es im Wald auch Kunstwerke aus Stein und Holz des Künstlers Hermann Prigann zu entdecken, die sich im Laufe der Zeit verändern und das Wirken der Natur aufzeigen.  Die Forststation – früher Schaltzentrale – ist nun zu einem Waldpädagogik-Standort mit überregionalem Ruf geworden, den alle Gelsenkirchener Kinder sicherlich mindestens einmal im Verlauf ihrer Kita- und Schulzeit kennenlernen.

Es war eine spannende Tour, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern viele Einblicke in bislang unbekannte Projekte in Gelsenkirchen ermöglicht hat. Große Übereinstimmung herrschte bezüglich der Notwendigkeit von Bildung für nachhaltige Entwicklung als Voraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Alle haben viele Anregungen mitgenommen und auch erfahren, wie verbesserungsbedürftig das Radwegenetz in unserer Stadt ist. Irene Mihalic, die mit großer Freude mitgeradelt war, bedankte sich am Schluss vor allem bei den Organisatoren und den Mitgliedern des ADFC, die professionell die Fahrstrecke geplant und für Sicherheit gesorgt haben.

 

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