Grüne Schulpolitik: Was war gut, was schlecht – wie geht es weiter?

Auf Einladung der bildungspolitischen Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW, Sigrid Beer, versammelten sich am Dienstag, 7.11.2017, etwa 60 Mitstreiter*innen sowie wohlgesonnene kritische Expert*innen in Sachen Schulpolitik im etwas muffigen Fraktionssaal der CDU. Es sollte, willkommen geheißen vom Fraktionsvorsitzenden Arndt Klocke, um die Perspektiven für eine zukunftsfähige Schulpolitik in NRW gehen. Weitere Veranstaltungen zu Schwerpunktthemen, wie etwa zu Grundschulen, zum Offenen Ganztag, zur beruflichen Bildung und den Berufskollegs, werden folgen. Doch zunächst war ein Rückblick auf die vergangenen sieben Jahre rot-grüner Koalition mit einer grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann angesagt, zumal deren Schulpolitik als ein entscheidender Grund für die niederschmetternde Wahlniederlage bei den vergangenen Landtagswahlen im Mai angesehen wird.

Inklusion wurde zum toxischen Begriff

Eva-Maria Thoms von mittendrin e.V. schickte ihrem Vortrag voran, dass der von GRÜN durchgesetzte Rechtsanspruch auf Inklusion in einem Flächenland unbedingt als ein Meilenstein anerkannt werden müsse. Für die betroffenen Kinder und Eltern sei dies ein Riesenunterschied, da sie nicht mehr „betteln“ müssten. Leider habe sich ein zunehmend negatives Bild von Inklusion durchgesetzt, obwohl diese an ganz vielen Schulen sehr gut funktioniere. Frau Thoms stellte die These vom „toxischen Begriff“ auf, zu dem Inklusion durch die Negativmeldungen geworden sei. Es hätte der Schaffung eines positiven Bildes von inklusiver Bildung, einer Positiv-Kampagne bedurft. Stattdessen habe ein Streit um Ressourcen stattgefunden. Wobei ihrer Meinung nach nicht die Ressourcen und deren Verteilung entscheidend sind, sondern die Motivation und die Sachkenntnis sowie die grundsätzliche Haltung der Akteure. Die Köpfe hätten gewonnen werden müssen – dazu wäre Kommunikation, insbesondere ehrliche Kommunikation, unbedingt nötig gewesen. Darüber hinaus hätte es besonders an einer Steuerung gemangelt. Die Kommunen wären sehr sehr unterschiedlich mit dem Auftrag und der Freiheit umgegangen. So hat es im Kreis Wesel mit der Bildung von Schwerpunktschulen sehr gut funktioniert. Es fehlte an unabhängiger Beratung, wurde in der folgenden Diskussion noch bemängelt. Auch die Doppelstruktur (von Förder- und Regelschulen) sei eine Herausforderung.

Der Wunsch für die Zukunft ist: Angesichts der Herausforderungen von Armut und Zuwanderung bedarf es einer modernen, inklusiven Unterrichtsentwicklung. Nicht aussondernde Systeme sind der Weg, sondern „Eine Schule für Alle“, die aber auch eine Pädagogik für alle bereits in der Ausbildung von Lehrerinnnen und Lehrern erfordert. Denn: Vielfalt ist Zukunft – daher braucht es den Umgang mit Heterogenität.

Eine Schule für Alle – bis zum Ende der Pflichtschulzeit

Dieses klare Bekenntnis wünscht sich nicht nur Rainer Dahlhaus, ehemaliger Gesamtschulleiter und Repräsentant der GGG NRW (Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule), der das Problemfeld aus der Sicht integrierter Schulen beleuchtete. Aus seiner Sicht hat die grüne Politik der Ermöglichung dazu geführt, dass sich die Gymnasiallobby letztlich durchgesetzt habe. Hier hätte er sich mehr Gestaltungswillen gewünscht. Darüber hinaus hätte es eines Abschulungsverbots für die Gymnasien sowie einer Steuerung interkommunaler Schulentwicklung bedurft. Das eigentliche grüne Ziel, die Bedingungen an den unterschiedlichen Schulformen einander anzugleichen, ist wieder ferner gerückt. Seine These: Der Schulfrieden ist tot. Die Konflikte sind auf die kommunale Ebene verlagert worden. Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden, dies ginge mittels eines Sozialindexes. In der Diskussion wurde vielfach der Wunsch nach multiprofessionellen Teams geäußert. Überhaupt müsse unsere Idee von zukunftsfähiger Bildung deutlicher werden, statt über Strukturen zu reden.

G8/G9 – der Streit wird weiterhin prägend sein

Andreas Niessen vom Geschwister-Scholl-Gymnasium Pulheim fasst aus Sicht der beliebtesten Schulform in unserem Land die Knackpunkte der G8/G9-Debatte zusammen. Die Einführung des Quasi-Ganztags am Gymnasium durch die Schulzeitverkürzung habe positive Impulse gegeben, auch für die Unterrichtsentwicklung. Die 5-jährige Sekundarstufe I und die mangelnde Flexibilität seien jedoch problematisch. Hierzu ist festzuhalten, dass Grüne die Schulzeitverkürzung in der Sek I nicht gewollt haben. Ihr Modell hatte die (optionale) Verkürzung des Wegs zum Abitur in der Oberstufe vorgesehen. Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass schließlich eine grüne Schulministerin das von Schwarz-Gelb verursachte Chaos an den Gymnasien durch die überstürzte Schulzeitverkürzung in der Sek I ausbaden musste. Und diese will die jetzige schwarz-gelbe Landesregierung nun wieder rückabwickeln. Bislang ist jedoch überhaupt noch nicht klar, wie das geschehen kann und wird. Es fehle an Schulräumen und an Lehrer*innen-Stellen. Befürchtet wird nun ein 2-Klassen-System der Gymnasien. Schon jetzt werden Stimmen laut, die die pädagogischen Möglichkeiten des Ganztags an Gymnasien nicht aufgeben wollen. Dringend bräuche es eine schulrechtliche Öffnung des Gymnasiums für andere Bildungsgänge. Es dürfe nicht sein, dass Schüler*innen das Gymnasium ohne einen Abschluss verlassen.

Zusammenfassend

Die Frage nach der Schulformen würde letztlich bedeutungslos, denn das Abitur könne auf vielen Wegen erreicht werden, hieß es in er Abschlussrunde. So ließe sich die Konkurrenz der Systeme auflösen. Das grüne Konzept ist „Eine Schule für alle Kinder“.

Fazit: Die Grundschule zeigt, wie es geht mit der Inklusion. Davon können alle anderen viel lernen. Wir als Grüne müssen beschreiben, wie eine Pädagogik der Vielfalt aussieht und wie Kinder und Gesellschaft zukunftsfest gemacht werden können.  Bildung für das 21. Jahrhundert muss Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sein.

(Martina Lilla)