„Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“

David Fischer

 

Sehr geehrter Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,

eine uralte Weisheit der Dakota-Indianer besagt: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“ Wenn eine Idee, eine Vorgehensweise oder ein Produkt einfach nicht mehr so funktioniert wie früher, „versuchen“ viele Manager, anstatt im metaphorischen Sinne „abzusteigen“, andere Strategien, nur, um bloß ja nichts am Status Quo zu ändern.

Genau so hält es die Stadtverwaltung in Gelsenkirchen, gemeinsam mit unserer absoluten Mehrheitsfraktion SPD, am Beispiel des Standortes für die neue Sekundarschule, mit folgender Strategie: „Wir ändern die Kriterien, die besagen, ob ein Pferd tot ist.“

Die vor sechs Jahren in NRW eingeführte Schulform „Sekundarschule“, meine Damen und Herren, steht einer Studie von 2016 zufolge vor dem Scheitern. „Die Sekundarschule dürfte in unmittelbarer Konkurrenz zur Gesamtschule nicht überlebensfähig sein“, heißt es in der Untersuchung, die im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW erstellt wurde. Aus der Sicht von Eltern sei die Sekundarschule die schlechtere Wahl, weil sie anders als das Gymnasium und die Gesamtschule über keine eigene Oberstufe verfüge und man dort somit keine höheren Schulabschlüsse erwerben könne, erklären die Autoren der Studie. Hauptgrund: zu wenige Anmeldungen.

In diesem Jahr, meine Damen und Herren, hatten wir zum X-ten Mal einen Anmeldeüberhang an unseren Gelsenkirchener Gesamtschulen von mehreren hundert Elternanmeldungen. Noch überzeugender kann das Kriterium für die Errichtung einer weiteren Gesamtschule in Gelsenkirchen nicht sein!

Dennoch lautet eine weitere Strategie von SPD und Verwaltung:

„Wir erhöhen und verändern die Auswahlkriterien für den Beritt toter Pferde.“

Sie behaupten jetzt schon seit zwei Schulausschusssitzungen und einer Ratssitzung bis heute, dass Ihnen eine Gesamtschule ja auch lieber wäre, aber die zu erwartende Zahl geeigneter Schüler für eine gymnasiale Oberstufe nicht ausreiche und Sie deshalb keine Genehmigung durch die Schulaufsichtsbehörde in Münster bekommen könnten.

Wenn man sich nun tatsächlich die im Schulgesetz und in dem zuständigen Erlass des Ministeriums vorgeschriebenen Kriterien zur Errichtung von Sekundar- und Gesamtschulen ansieht, stellt man fest, dass uns die Verwaltung mit Ihrem Totschlagargument von prognostisch fehlenden Schülerinnen und Schülern für eine weitere gymnasiale Oberstufe nur vorgaukelt, dass dies zur Nichtgenehmigung durch die Bezirksregierung führen würde.

In den einschlägigen Vorschriften dazu heißt es nämlich:

„Bei der Feststellung des Bedürfnisses ist in jedem Fall die Entwicklung des Schüleraufkommens und der Wille der Eltern zu berücksichtigen. Nachzulesen im § 78 (5) SchulG NRW, oder Runderlass des Ministeriums vom 06.05.1997 (BASS 10-02 Nr. 9). Eine formelle Elternbefragung, so heißt es dort weiter, sollte dabei die Eltern der Grundschuljahrgänge 3 und 4 umfassen. Erforderliche Eckdaten sind insbesondere die bisherigen Übergangsquoten auf die Schulen, das Schüleraufkommen in Gelsenkirchen sowie entsprechende Schülerzahlenprognosen für wenigstens fünf Jahre ab dem Errichtungsdatum.

Nur für Gesamtschulen gilt zusätzlich: In der gymnasialen Oberstufe ist eine Jahrgangsbreite von mindestens 42 Schülerinnen und Schülern im ersten Jahr der Qualifikationsphase erforderlich (§ 82 (8) SchulG). Zum Nachweis kann das bisherige Übergangsverhalten auf bestehende Gesamtschulen sowie das zu erwartende Schülerpotential aus dem Einzugsbereich der neuen Gesamtschule zugrunde gelegt werden.“

Aus keiner dieser Vorschriften lässt sich ableiten, dass das von Verwaltung und SPD benutzte Argument mit den prognostizierten Abiturquoten für das Jahr 2029 auch nur ansatzweise der Gründung einer neuen Gesamtschule entgegensteht. Denn erst dann würde eine Gesamtschule erstmalig den Jahrgang 11 führen. Und aus den genannten Vorschriften geht auch nicht hervor, geschätzter Kollege Jacob von der SPD, dass die aktuelle Abiturquote in Gelsenkirchen zugrunde gelegt werden muss.

Deshalb wird „das tote Pferd bei jemand anderem in den Stall gelegt und behauptet, es sei seines.“

Diese anderen sind laut Verwaltung die Eltern, die sich angeblich die Sekundarschule wünschen. Nein – die Eltern in Gelsenkirchen wünschen sich eine Schule, an welcher die Kinder auch ihr Abitur machen können und zwar an ein und derselben – Gesamtschule.

Wo ist eigentlich die Elternbefragung, liebe SPD und Verwaltung, die bei einer Errichtung, so wie ich gerade aus den Vorschriften zitiert habe, Grundlage für die Beantragung sein soll?

Wir Grünen haben keine Befragungsergebnisse zur Errichtung der Sekundarschule gesehen!

Die weitere Strategie der Verwaltung und der SPD lautet mit der Vorlage zum neuen Standort für heute: „Wir weisen den Reiter an, sitzen zu bleiben, bis das Pferd wieder aufsteht“; indem heute der Standort am Schalker Verein als „Stall für das tote Pferd“ beschlossen werden soll. Das werden wir GRÜNEN jedoch nicht mittragen, denn: „Wer meint, fest im Sattel zu sitzen sollte nachsehen, ob der Gaul noch da ist…“

Insofern lehnen wir nicht nur das „tote Pferd“ Sekundarschule, sondern auch konsequent den dafür vorgesehenen Standort und damit die heutige Vorlage der Verwaltung ab.

Stattdessen empfehlen wir als GRÜNE Ratsfraktion weiterhin das „Englische Vollblut“, die schnellste Pferderasse der Welt, zu reiten und die Gesamtschule-Mitte gemeinsam mit der bereitstehenden Gertrud-Bäumer-Realschule an den Standorten Schalker Verein in Verbindung mit den Schulräumen an der Augustastr. weiterzuentwickeln. An diesen in unmittelbarer Nähe zueinander befindlichen Standorten ist es auch denkbar, eine gemeinsame Oberstufe mit der Gesamtschule Ückendorf einzurichten, um das Image und die Vielfalt der Systeme vor Ort zu steigern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und liebe Verwaltung, auch John Wayne sagte einst:

„Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen!“