Rede der Fraktionsvorsitzenden Adrianna Gorczyk im Rat der Stadt am 07.12.2023 zum Haushalt 2024 7. Dezember 20238. Dezember 2023 Foto: Anna-Lisa Konrad Die Rede ist über den offiziellen Livestream der Stadt hier verfügbar und beginnt etwa bei 02:18:40. Es gilt das gesprochene Wort. Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen, liebe Gelsenkirchener*innen, ganz Deutschland spricht über eine Zahl: 60 Milliarden. 60 Milliarden Euro. So groß ist das Haushaltsloch im Bundeshaushalt, das die Bundesregierung seit 2 Wochen zu stopfen versucht. Eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro besteht der Einschätzung des Bundesfinanzministers nach für den Bundeshaushalt 2024 weiterhin. Eine Problematik, die nicht nur wegen des bekannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts besteht, sondern auch, weil auf Bundesebene die Schuldenbremse gilt. Worüber wir als Gelsenkirchener Kommunalpolitik in unserem Haushalt zu verhandeln haben und können, scheint angesichts solcher Milliardenbeträge kaum der Rede wert. Die Summe der durch uns GRÜNE eingebrachten und beschlossenen Haushaltsanträge beläuft sich auf einen geringen 6-stelligen Betrag. Als ich bei der Kommunalwahl 2020 in den Rat der Stadt Gelsenkirchen gewählt worden bin, habe ich mir „gestalten“ ganz anders vorgestellt. Unser Beitrag zum Haushalt ist, wenn man so möchte, wie die Krümel von einem gewaltigen Kuchen, der bereits gegessen ist, kaum dass er gebacken wurde. Wer davon einen Eindruck gewinnen möchte, der und dem empfehle ich sehr, die Funktion „Interaktiver Haushalt“ auf der Homepage der Stadt zu nutzen oder der Einführung des Stadtkämmerers bei einem der Bezirksforen zu lauschen. Auf die chronische Unterfinanzierung unserer Kommunen und die enorme Bedeutung einer Altschuldenlösung hat Axel Barton bereits verwiesen. Und ja, klar könnten wir als Stadt Wege finden, um weitere Herzensprojekte der Politik umzusetzen. Nun ist es aber nicht so, als wenn die Stadt Gelsenkirchen nicht bereits hohe Schulden hätte und nicht ohnehin enorme Anstrengungen unternehmen müsste, auch um zum Beispiel den so wichtigen Neubau von Schulen voranzutreiben. Die Schuldenbremse ist, mindestens in Zeiten eines massiv verschleppten Investitions- und Sanierungsstaus und multipler Krisen, für Kommunen ein Risiko. Heute, am 7. Dezember 2023, wenn wir als Rat der Stadt Gelsenkirchen den Haushalt für das Jahr 2024 verabschieden, wissen wir nicht, wie sich die aktuell auf Bundesebene diskutierten Einsparungen auf uns auswirken werden, was es bedeuten würde, sie aufzufangen. Damit niemand denkt, mir ginge es hier nur um einen Fingerzeig nach Berlin: das Land NRW, ebenfalls der Schuldenbremse unterlegen, musste für das Haushaltsjahr 2024 auch Einsparungen benennen. Und auch das hat Effekte auf die Kommunen. Worauf ich hinaus will, ist Ihnen und euch einen Eindruck davon zu vermitteln, wie es ist, das letzte Glied in der Kette zu sein und warum die kommunale Familie im gesamten demokratischen Spektrum zusammenstehen muss, um sich zu behaupten. Davon ist ein gemeinsam getragener Kommunalhaushalt, wie wir ihn heute verabschieden werden, auch ein Ausdruck. Doch natürlich unterscheiden sich Haushaltspolitik und Prioritäten, vor allem auf Landes- und Bundesebene, auch nach Parteifarbe. Wir GRÜNE sind es nicht, die das Bürgergeld oder einen sozialen Ausgleich bei der ökologischen Transformation in Frage stellen, die davor zurückscheuen, klimaschädliche Subventionen abzubauen oder das Steuersystem zu modernisieren, um die Einnahmenseite zu stärken. Andere zeigen sich angesichts der drohenden Einsparungen auch skeptisch: So fordert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, Ausnahmen von der Schuldenbremse für wichtige Generationenaufgaben wie Klimaschutz und Infrastruktur. Und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund spricht sich für einen Sonderfonds Infrastruktur und eine Reform der Schuldenbremse aus. Doch kehren wir zurück zu dem, was wir als Grüne Ratsfraktion im Rat der Stadt Gelsenkirchen priorisieren, wo wir das kleinere Rad drehen, aber eines, das sich unmittelbar auf unser Leben in unserer Stadt auswirkt, das direkte Verbesserungen bedeutet. Wir stärken die Quartiersarbeit mit einer weiteren Budgetaufstockung um 60.000€ und sichern soziale Projekte für unterschiedliche Zielgruppen für das Jahr 2024 ab, nämlich mit einer Soforthilfe für das Lokal „Schloss Stolzenfelz“ und einer Förderung für die Initiative „GEmeinsam stark in Schalke“ der Amigonianer. So bleiben wichtige und gut angenommene Angebote erhalten. Wir machen die lokale Klimawende attraktiv, indem wir den Fördertopf für private Solaranlagen, der in den letzten beiden Jahren schnell erschöpft war, um über 40% erhöhen und das erfolgreiche Konzept der Stadtterrassen – nach der Hagen- und Weberstraße – in Horst fortführen. Wer wie die AfD einen solchen Zuschuss nicht gewährt, lässt Fördermittel von Land, Bund und EU links liegen. Wir fördern kulturelle Bildung und Kunst und Kultur über einen erneuten Zuschuss zum Kunst-Kultur-Mobil sowie zum New Colours-Festival. Wir ermöglichen ein qualitatives Verzeichnis der Gelsenkirchener Kulturorte als zentralen Baustein der Kulturentwicklungsplanung und errichten eine Buchstabenskulptur „BUER“ als Fotospot. Als Grüne haben wir auch den Sport im Blick und zwar nachhaltig: wegen erhöhter Kosten reichte der bereits erfolgte Zuschuss für die Cricket-Abteilung des VfB 09/13 für ein neues Spielfeld auf der Trabrennbahn nicht mehr aus, so dass wir dafür gesorgt haben, dass der Fehlbetrag im kommenden Jahr noch zur Verfügung gestellt wird. Wir unterstützen den sozialen Ausgleich und Chancengerechtigkeit, indem wir den Verhütungsmittelfonds der Stadt für Frauen in sozialen Notlagen um 50% erhöhen und die Leseförderung der Mentor Leselernhelfer bezuschussen. Und bei all dem fragen wir uns natürlich: welchen Output generiert der von uns eingesetzte Euro. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür ist z.B. unserer Initiative, in der neuen Fahrradzone in Ückendorf flächendeckend Fahrrad-Piktogramme auf die Fahrbahn zu bringen, um alle Verkehrsteilnehmer*innen zur Rücksichtnahme zu motivieren und für mehr Sicherheit zu sorgen. Ein Projekt, das – gemessen am Gesamtvolumen des Kommunalhaushaltes – einen winzigen Betrag von 1.000€ kostet. Oder die von uns eingebrachten 5.000€ für eine Testfläche am Hauptbahnhof mit einem Lack gegen „Wildpinkeln“, der helfen kann, dieses gewaltige Problem während Großveranstaltungen in der Stadt in den Griff zu bekommen und die Folgekosten zu reduzieren. Natürlich haben wir auch Anträge durchgesetzt, die zu unserem grünen Markenkern gehören und härter verhandelt werden mussten, wie z.B. die grundsätzliche Finanzierung für eine bauliche Umsetzung einer Verkehrsführung, die nicht allen passen wird. Aber wir finden, der Parksuchverkehr in der Hagenstraße nervt und ist klimaschädigend! Solche Kröten – oder in diesem Fall Hunde – gab es auch für uns. Den Gedanken einer Hundestaffel für den Kommunalen Ordnungsdienst der CDU betrachten wir bis heute kritisch, aber hinnehmbar. Manchmal muss das als Basis reichen. Auf der anderen Seite traten auch Projekte zu Tage, bei denen die beteiligten Fraktionen ohne jede Debatte und geräuschlos zueinandergefunden haben, wie z.B. die CDU-Fraktion und wir bei der Errichtung eines Bikeports am Marktplatz Buer. Ja liebe Laura Rosen, wir waren dabei durchaus überrascht, dass die CDU mehr als Autos kennt. Und natürlich treiben alle an den Verhandlungen beteiligten Fraktionen aus Überzeugung und gerne die Sanierung auf Kinderspielplätzen im Stadtgebiet voran. Gemeinsam stellen wir auch einen zusätzlichen Betrag von 12.000€ für Projekte gegen Antisemitismus sowie weitere 12.000€ als Eigenmittel für den Integrationsrat bereit. Als Grüne Fraktion stimmen wir dem städtischen Haushalt 2024 zu, natürlich in erster Linie, weil wir in unterschiedlichen Feldern für uns relevante Verbesserungen unterbringen konnten, aber auch, weil es uns keinen Zacken aus der Krone bricht, gute Ideen für unsere Stadt anderer Fraktionen anzuerkennen. Und nicht zuletzt, weil die Verhandlungspartner*innen darauf verzichtet haben, so großen Blödsinn zu fordern wie ihre Parteikolleg*innen bezüglich des Bundeshaushalts. Peter Tertocha und ich bedanken uns für die konstruktive Zusammenarbeit bei den Kolleg*innen und auch bei der Verwaltung. Vielen Dank!