Rede des Stadtverordneten Patrick Jedamzik im Rat der Stadt am 09.02.2023 zu TOP 3 „Klimakonzept 2030/2045“

Foto: Anna-Lisa Konrad

Die Rede ist über den offiziellen Livestream der Stadt hier verfügbar und beginnt etwa bei 3:30:00.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Eigentlich wollte ich zur AfD nichts sagen, weil ihre einzigen Beiträge zur Klimadiskussion bisher nur der Hinweis war, dass es vor 200 Millionen Jahren eine höhere CO2 Konzentration in der Atmosphäre gab oder im Zitieren eines ehemaligen Professors, der seit 10 Jahren nicht mehr publiziert hat.

Dass sie sich als vom Verfassungsschutz beobachtete Partei hinstellen und zivilgesellschaftliche Gruppen als Terroristen bezeichnen, kann ich nicht unwidersprochen lassen. 

Zivilgesellschaftliches Engagement ist eine Stütze der demokratischen Gesellschaft und wer zu Beginn der Sitzung von Meinungsfreiheit redet, sollte die Meinung anderer auch aushalten können. 

70 Prozent. Das ist der Wert, um den wir den CO2 Verbrauch in Gelsenkirchen in den nächsten 7 Jahren reduzieren müssen, wenn wir unseren Beitrag zum 1,5 Grad Ziel noch leisten wollen und Klimaschutz nicht nur eine hohle Phrase sein soll. 70% oder ca. 1 Millionen Tonnen CO2.

Ich habe in den letzten Wochen dazu oft gehört, dass man dies ja nicht alleine schaffen kann. Das stimmt und natürlich wünschen wir uns alle, dass auf 16 Jahre Stillstand im Bund nun mindestens 16 Jahre konsequente Klimaschutzpolitik folgen, aber das kann und darf auch keine Ausrede sein, seine Hausaufgaben nicht zu machen. Klimaschutz mag nicht in Gelsenkirchen entschieden werden, aber unseren Teil haben wir ebenso wie andere Kommunen beizutragen.

Und ja: Die kommunalen Einrichtungen machen nur 2% der Emissionen aus, aber Politik bedeutet Rahmen zu setzen und gewünschte Entwicklungen auch in der Kommune zu fördern. Wenn wir beispielsweise mehr Solarenergie aus Gelsenkirchen wollen, dann muss man eben den Ausbau der Solarenergie fördern. Das tun wir als Stadt und sogar so erfolgreich, dass wir GRÜNE uns für die Erhöhung des Budgets in 2023 eingesetzt haben. Die Stadt fördert und Privatpersonen erneuern ihre Energieversorgung.

Also ja. Nicht alles liegt in unserer Hand, aber dennoch erreichen wir mit dem Klimakonzept schon 60.000 Tonnen und durch das Mobilitätskonzept wären nochmal 10.000 dazu gekommen. Das ist schon einiger Einfluss, wenn man denn will.

Und da, liebe SPD und CDU, kommt Zweifel auf, wie ernst Sie dieses Thema wirklich nehmen. Wir hatten gerade schon lang und breit über den Masterplan Mobilität gesprochen, aber um es nochmal ganz deutlich zu machen: 27 Prozent der Treibhausgasemissionen kommen aus dem Bereich Mobilität, es müssen 2% pro Jahr vom Auto auf andere Verkehrsmittel verlagert werden, bis 2030 müssen die Emissionen um 60% fallen – und mit diesen Eckdaten lassen Sie sich in der WAZ mit der Aussage zitieren, „möglichst keine Einschränkung für das Auto“ zu bekommen. Für Sie gibt es nur Klimaschutz, wenn er sich plötzlich magisch einstellt.

Schon beim Klimanotstand 2019 haben Sie gezeigt, was es für Sie heißt, beherzt und engagiert ein Thema anzugehen: Klimaschutz war jetzt plötzlich genauso wichtig, wie alle andere Themen auch.  Aus einer eindeutigen Formulierung im Umweltausschuss wurde eine Luftnummer, die auch viel darüber aussagt, wie ihre Klimapolitik in den 20 Jahren davor ausgesehen hat.

Und offenbar hat das Thema für Sie auch heute noch nicht den gleichen Stellenwert erreicht, wenn sie trotz zwei eindeutiger Gutachten weiter eine Politik fahren, die so tut, als würde es keine Hitzesommer, Stürme, Überschwemmungen und andere Wetterextreme geben – auch in dieser Stadt.

Trotzdem – oder gerade darum – haben wir GRÜNE dazu vor einem Monat zwei transparente Änderungsanträge eingebracht und Ihnen allen liegt heute der Kompromiss nach den Gesprächen mit SPD, CDU und FDP vor.

Ein zentraler Punkt war es für die städtischen Betriebe und die Verwaltung eine bilanzielle Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen – in dem Bereich also, den wir direkt beeinflussen können. Die Stadt muss Vorbild sein und nicht erst auf den letzten Metern die eigenen Ziele erreichen.

Meine Damen und Herren, und auch hier zeigt sich Mut und Engagement der Großen Koalition in den Worten: „wenn möglich“. Anstatt sich ein klares Ziel zu setzen, wurde behauptet, es sei unrealistisch. Mal abgesehen davon, dass wir von einem Zeitraum von 17 Jahren reden: Jeder Motivationsratgeber würde bei dieser schwammigen Aussage die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Und es zeigt am Ende leider auch, wie ernst Sie diesen Beschlusstext nehmen. 2040 ist lang hin aber wir GRÜNE werden ab jetzt dafür arbeiten, dass „wenn möglich“ möglich wird. Es wäre schön, wenn auch Sie irgendwann diese Absicht ernst nehmen würden.

Kompliziert wurde es bei unserem Anliegen, diesem Papier eine stärkere Bedeutung zu geben. Anstatt in der Schublade zu verschwinden, soll das Klimakonzept ein Maßstab beim Erreichen der Klimaneutralität werden und auch in der Bauleitplanung eine Rolle spielen. Die Zahlen und Herausforderungen, die in dem analytischen Teil stehen, sind zu relevant, um als Papiertiger zu enden.

Für Sie war es – ganz offensichtlich aus Verärgerung über unsere Ablehnung des Masterplans Mobilität – ein großes Anliegen, diesen entgegen einiger Absprachen drin zu behalten. Das ging bis zu Kompromissvorschlägen, die eher was von Kindergarten hatten, als von seriöser Politik, aber getreu dem Motto „Der Klügere gibt nach“, steht es jetzt eben drin und sie glauben, sich darüber freuen zu können.

Aber auch wenn wir den Masterplan ablehnen, weil Sie ihn mit den Änderungen in den Maßnahmen entwertet haben, finden wir viele Analysen und Darstellungen sehr richtig und werden diese in entsprechende Diskussionen über Abwägungsprozesse einbeziehen. Zum Beispiel die Darstellung, dass es zum Erreichen der CO2 Ziele „restriktive Maßnahmen für den motorisierten Individualverkehr“ braucht und man mit einer Förderung des Radverkehrs „deutliche Verlagerungswirkungen“ vom Auto weg erleben könne. In Kombination mit dem Klimakonzept und den Zahlen in diesem sagt der Masterplan Mobilität eindeutig, dass es eine Verkehrswende braucht, egal wie viele Maßnahmen Sie verwässern.

Meine Damen und Herren, Frau Oberbürgermeisterin, die Herausforderungen, die dieses Klimakonzept aufgezeigt hat, sind enorm. Ich erinnere nochmal an die 70%, die wir im Verbrauch bis 2030 einsparen müssen. Es ist nur möglich, diese gemeinsam anzugehen. Darum war es uns GRÜNEN wichtig, hier auch bei allen nervenaufreibenden Diskussionen einen gemeinsamen Beschluss zu erreichen.

„In die Zukunft gehen wir alle gemeinsam“ heißt es in einem Roman und darum freuen uns natürlich auch über die bis zu 21 neuen Stellen, die uns sicherlich weiterbringen werden. Wir sind gespannt auf die Sanierungspläne und Ideen zur Klimaanpassung auf öffentlichen Plätzen, die gerade erarbeitet werden. In dem Zusammenhang vielen Dank an Gutachter:innen, die Verwaltung und besonders das Referat Umwelt für dieses Gutachten und die Arbeiten, die darauf aufbauen werden.

Bevor ich die Rede beende, möchte ich aber noch einen letzten generelleren Punkt ansprechen. Es wird gerne so getan, als sei Klimaschutz reine Verbotspolitik. In vielen Städten erleben wir doch genau das Gegenteil. Paris zeigt, dass die Befreiung von Autoflächen ein Gewinn für Innenstädte und die Aufenthaltsqualität ist. Öffentliche Flächen der Öffentlichkeit zurück zu geben, muss kein Verlust sein. Eine zweispurige Straße ist nur eine Freiheit für diejenigen, die dort schnell durchfahren. Wer dort wohnt wird das anders sehen. Fahrradfahrer:innen, denen keine vernünftigen Wege gegeben werden, ebenso.

„Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt“ zeigt sich in der Klimakrise besonders. Man kann jetzt den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass ein Weiter-so plötzlich andere Ergebnisse bringt, aber Ausbaden dürfen es am Ende folgende Generationen, wenn die Klimakatastrophe ungebremst weitergeht. Völlig zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es auch heute schon Einschränkungen geben muss, weil man diese Probleme nicht alleine zukünftigen Generationen auflasten kann.

Dem Klima ist es egal, ob wir „bis 2040″ oder „wenn möglich bereits 2040“ in dieses Papier schreiben oder ob der Masterplan Mobilität dort auftaucht. Es ist auch am Ende egal, ob da „schrittweise“, „schnellstmöglich“ oder wie jetzt „schnellstmöglich schrittweise“ steht – unsere fast schnellste Einigung will ich meinen. Das Klima handelt und wir sollten alles versuchen, damit keine unumkehrbaren Kipppunkte erreicht werden. Und wenn sie uns in den letzten zwei Wochen bei den Gesprächen bestimmt oft nervig empfunden haben: „Das Klima verhandelt nicht“.

Wir haben verhandelt, weil uns die Gemeinsamkeit für diese Aufgaben wichtig war und noch wichtig ist. Wir GRÜNE werden dem Klimakonzept und den beiden Änderungsanträgen gleich zustimmen und mit aller Kraft für die Umsetzung der Ziele frühstmöglich eintreten. Es wäre schön, wenn auch Sie sich dieser Herausforderung baldmöglichst anschließen und erkennen, dass die Klimakatastrophe nicht einfach ein Thema von vielem ist, sondern die zentrale Herausforderung unserer Zeit für uns und folgende Generationen.

Vielen Dank.