Rede von Ingrid Wüllscheidt im Rat der Stadt zum Gelsenkirchener Appell 2022

Foto: Anna-Lisa Konrad

Gehalten am 08.12.2022 im Rat der Stadt Gelsenkirchen. Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, meine Damen und Herren,

Vor zehn Jahren haben wir uns aufgemacht, das Thema der hohen und vor allem verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit hier in Gelsenkirchen nicht weiterhin nur zu beklagen.

Vielmehr haben wir uns mit zahlreichen Sozialpartnern dieser Stadt zusammengefunden, um ganz konkrete Forderungen an die Bundesregierung zu formulieren. Wir haben auf die besondere Situation hier in GE aufmerksam gemacht und den Aufbau eines „Sozialen Arbeitsmarktes“ für dauerhaft nicht vermittelbare Arbeitslose gefordert.

Andere Kommunen haben sich dem Gelsenkirchener-Appell angeschlossen. Es gab mediale Aufmerksamkeit und so kam unser Anliegen auch in Berlin an.

Es dauerte dann noch ein paar Jahre bis 2019 durch die Einführung des § 16i im SGB II die Grundlage für einen solchen Sozialen Arbeitsmarkt geschaffen wurde.

Es hat zwar lange gedauert – aber am Ende waren wir mit der Initiative Gelsenkirchener-Appell erfolgreich.  

Und ein Erfolg ist der soziale Arbeitsmarkt in GE allemal geworden. Mit viel Engagement von Jobcenter, Sozialverwaltung und den verschiedenen Anstellungsträgern können Langzeitarbeitslose mit Mindest- oder Tariflohn für die Dauer von maximal fünf Jahren beschäftigt werden. Für viele eröffnet sich damit der Weg in die dauerhafte Integration in den ersten Arbeitsmarkt.

Wir hören vom Jobcenter, dass diese Eingliederungsmaßnahme eine der erfolgreichsten ist, die dem Jobcenter zur Verfügung stehen. Wenige Abbrüche, gute Integrationsquoten.

Und was das Wichtigste ist – derzeit gibt es in GE 648 solcher Stellen. Arbeitsplätze für Menschen, denen nach langer Arbeitslosigkeit wieder eine berufliche Perspektive eröffnet wird. Das sind 648 Menschen, und denkt man an deren Familien noch mehr Menschen, die endlich dem Stigma schon ewig arbeitslos zu sein entfliehen können.

Und dieses Erfolgsmodell sollte 2014 auslaufen. Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung nun aber die Entfristung beschlossen hat. Das heißt: Einen sozialen Arbeitsmarkt wird es nun dauerhaft geben.

Nur, auf dem Papier nutzt das den Menschen nichts; eine solche Eingliederungsmaßnahme kostet natürlich auch viel Geld. Und das sollte für den Eingliederungstitel des hiesigen Jobcenters für das kommende Jahr um 1,5 Mio. € gekürzt werden.

Ein Desaster für das erfolgreiche Modell Sozialer Arbeitsmarkt in GE, weil die fehlenden Mittel einen Ausbau unmöglich machen und bestehende Maßnahmen gefährden.

Umso erfreulicher, dass die angekündigten Kürzungen nun doch geringer ausfallen als befürchtet.

Das heißt aber auch: der Soziale Arbeitsmarkt in GE muss auf Kante genäht werden. Eine Ausweitung des Anteils an geförderten Stellen ist in weite Ferne gerückt.

Wir begrüßen es sehr, dass sich die Sozialpartner in unserer Stadt erneut darüber verständigt haben, die Weiterentwicklung des sozialen Arbeitsmarktes einzufordern.

Wir brauchen dieses ständige Auf und Ab nicht –

  • wir brauchen eine auskömmliche und planbare, das heißt verlässliche Finanzierung dieser Eingliederungsmaßnahme
  • wir brauchen Perspektiven für die Menschen, die im Anschluss an die Maßnahme bewiesen haben, dass sie arbeiten können und wollen, aber auf dem 1. Arbeitsmarkt dennoch keinen Platz gefunden haben
  • und wir brauchen eine dauerhafte Fortsetzung des Passiv-Aktiv-Tranfers, denn

wir wollen nicht Arbeitslosigkeit, sondern Wege in die Arbeit finanziert wissen!

Die Fraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN wird den Gelsenkirchener Appell 2022 selbstverständlich mittragen.