Rede von Peter Tertocha im Rat der Stadt Gelsenkirchen zum Haushalt 2023

Foto: Anna-Lisa Konrad

Gehalten in einer etwas ausführlicheren Version am 08.12.2022 im Rat der Stadt Gelsenkirchen.
Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem demokratischen Spektrum,

heute vor 17 Wochen wurde der Entwurf des Haushaltsplans 2023 hier im Rat der Stadt Gelsenkirchen vorgestellt und insbesondere in den 30 Tagen des Monats November hat es intensive Debatten zwischen der grünen Fraktion und den Fraktionen von SPD und CDU gegeben. Debatten, die wir nicht unbedingt als „hart aber herzlich“ bezeichnen würden, sondern in der uns eigenen Art und Weise eher als konstruktive und respektvolle Diskussionen, bei der aber auch oft lange und ziemlich intensiv mit harten Bandagen verhandelt wurde.

Mit dem in diesen Verhandlungsrunden erreichten Ergebnis sind wir unterm Strich sehr zufrieden und deshalb wird die grüne Fraktion heute auch den vorgelegten Entwürfen zum Haushalt 2023 zustimmen.

Erreicht haben wir unter anderem, dass in der Sitzung des Hauptausschusses in der letzten Woche 11 grünen Anträgen auch von der GroKo zugestimmt wurde. Aus Zeitgründen hier nur einige Beispiele:

Die Sondernutzungsgebühren werden zur Unterstützung der Gastronomie in der Stadt im Jahr 2023 um 50% reduziert und 30.000 Euro erhält die Cricket-Abteilung des VfB Gelsenkirchen für ihre herausragende Integrationsarbeit. Die Kunstschule wird mit 10.000 Euro zusätzlich gefördert, es werden an drei zentralen Orten Sitzbänke gegen Rassismus aufgestellt und es ist uns gelungen, dass eine Zielvereinbarung zur Verbesserung der Versorgungslage mit öffentlichen, barrierefreien Toiletten in den Zentren der Stadt in den Haushalt aufgenommen wird. Nicht als allgemeine unverbindliche Zielsetzung, sondern verbunden ist dies mit einer Pilotphase, die im Jahr 2024 starten soll. Berücksichtigt werden dabei die Barrierefreiheit der Toiletten und die Öffnungszeiten, sie sollen mindestens bis in die späten Abendstunden nutzbar sein.

Hinzu kommen noch einige weitere grüne Anträge, die wir schon vorher eingereicht hatten und die jetzt leicht modifiziert von den Fraktionen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und CDU gemeinsam gestellt werden.

Eine Herzensangelegenheit war den GRÜNEN in dieser Kategorie die Fortsetzung der offenen Kinder-, Jugend- und Familienarbeit der Amigonianer im Haus Eintracht in der Grillostraße. Diese Arbeit wird auch im Jahr 2023 mit einem Betrag von 60.000 Euro unterstützt. Ziel der grünen Fraktion bleibt hier aber die langfristige und dauerhafte Absicherung des Projekts. Dafür werden wir uns auch weiterhin mit aller Vehemenz einsetzen. Dies schon mal als vorgezogenes Begrüßungsgeschenk an die GroKo für die nächsten Haushaltsberatungen.

Ebenso konnte die Aufstockung der Gelder für die Quartiersarbeit um weitere 60.000 Euro erreicht werden und für das KunstKulturMobil, mit dem die Kunstschule in die Stadtteile fährt, werden 10.000 Euro im Haushalt bereitgestellt.

Im Gegenzug hat die Grüne Fraktion auch einige ursprüngliche Projekte von SPD und CDU unterstützt. Dazu zählen unter anderem das OpenAir Kino am Kunstmuseum in Buer, die Schaffung einer Hundewiese am alten Friedhof in Ückendorf und die Fortsetzung des in diesem Jahr gestarteten New Colours Musikfestival.

Dieses Verhandlungsergebnis und die damit verbundene Zustimmung der grünen Fraktion war aber nur möglich, da eine Grundbedingung das deutliche Bekenntnis zum Klimaschutz und das Einstellen ausreichender Gelder für Maßnahmen im Rahmen des Klimaschutzkonzepts bereits in den Haushalt 2023 – erfüllt wurde. Nach einem etwas langwierigen Prozess (Anmerkung: Das ist die diplomatische Formulierung für das mehr als zähe Hin und Her gegen Ende der Haushaltsverhandlungen) war dann endlich doch klar, dass dafür ein siebenstelliger Betrag im Haushalt stehen wird.

An dieser Stelle noch kurz einige Anmerkungen zum Gesetz des Landes NRW, durch das die Kommunen dazu verpflichtet werden, eine Isolation der coronabedingten Veränderungen im Haushalt und eine Isolation der kriegsbedingten Veränderungen bis 2025 vorzunehmen. Bei allem Verständnis für die Argumente der kreisangehörigen Gemeinden, die ansonsten von den einzelnen Strategien ihrer jeweiligen Kreise abhängig wären, kann es nicht die Lösung sein, diese Mehrkosten jetzt komplett zu isolieren und dann langfristig über Jahrzehnte abzuschreiben. Das führt zwar erstmal zu Entlastungen, wird uns aber deutlich höhere Aufwendungen in den nächsten Jahren bescheren. Und nicht nur uns, sondern auch den folgenden Generationen.

Aber all dies lenkt doch von der eigentlichen Kernfrage ab: Wessen Aufgabe ist es eigentlich, zum Beispiel die coronabedingten Einnahmereduzierungen und die erhöhten Ausgaben durch den Krieg in der Ukraine zu tragen? Das ist doch wohl in erster Linie die Aufgabe des Bundes und der Länder. Und auch wenn Bund und Land unbestritten ihren Beitrag dazu leisten, ist es nicht nachvollziehbar, dass letztendlich auch die Städte und Gemeinden einen sehr großen Teil ihrer Mindereinnahmen und Mehrausgaben selbst kompensieren müssen. Zwar über einen Zeitraum von 50 Jahren, aber das ändert doch nichts am Kernproblem.

Aber zurück zum Haushaltsplan der Stadt Gelsenkirchen: In dieser Situation ist der Vorschlag der Kämmerei, die in diesem Jahr erhöhten Zuweisungen des Landes NRW sicherheitshalber zu einem sehr großen Teil in die Ausgleichsrücklage zu stellen und dadurch etwaige Fehlbeträge in den Ergebnisrechnungen der nächsten Jahre ausgleichen zu können, der richtige Weg.

Wie soll es in Gelsenkirchen in den nächsten Jahren weitergehen? Nehmen wir als Messlatte doch einfach mal die Rede der Oberbürgermeisterin bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs im August und betrachten auszugsweise die Aussagen zum Klimaschutz.

„Sowohl die Entwicklung auf dem Gasmarkt wie beim Klima drängen uns in dieselbe Richtung – letztlich in die richtige Richtung. Sie drängen uns dahin, uns besser auf die Zukunft vorzubereiten. Und Gelsenkirchen hat das Zeug, diese Zukunft mitzugestalten! (…) Lassen Sie uns den Weg zur klimaneutralen Stadt und Wirtschaftsstandort mutig beschreiten! (…) Klimaaspekte spielen in der Planung und Gestaltung von öffentlichen Räumen und Plätzen künftig eine viel stärkere Rolle – und ja, wir lernen aus den Fehlern der Vergangenheit!“

Frau Oberbürgermeisterin, wir nehmen Sie da beim Wort. Der in diesem Jahr bereitgestellte Betrag von etwas über einer Million Euro und die zusätzlichen Stellen in der Verwaltung für den Klimaschutz sind ein erster wichtiger Schritt. Nicht mehr und nicht weniger. Und wenn Klimaaspekte in der Stadtplanung künftig eine viel stärkere Rolle spielen sollen, dann werden auch weitere und höhere Summen in den nächsten Jahren folgen müssen.

An dieser Messlatte werden wir GRÜNEN uns in den nächsten Jahren orientieren und Sie persönlich und auch die GroKo daran messen. Ohne ausreichende Gelder für den Klimaschutz in der Stadt ist eine grüne Zustimmung zu Haushalten in den Folgejahren nicht denkbar. Wenn dies – wie in diesem Jahr – aber der Fall ist, dann sind wir auch in den nächsten Jahren zu konstruktiven Verhandlungen zu einem gemeinsamen Haushalt bereit. Vielleicht nicht unbedingt ganz so zäh, aber wenn es sein muss, halten wir auch das locker durch.

Wie bereits zu Beginn gesagt: Mit dem Ergebnis in diesem Jahr sind wir zufrieden. Mit unseren Anträgen haben wir eine starke grüne Handschrift an zahlreichen Stellen im Haushalt erreicht. Deshalb stimmen wir den Vorlagen zum Haushaltsplan 2023 zu.

Glückauf

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