Frische Ideen und mehr Vielfalt für die Innenstadt !

Veranstaltung im Grünen Zentrum am 20. Oktober 2022

Wir müssen uns um Perspektiven für unsere beiden Innenstädte kümmern. Die Altstadt und Buer sind sehr verschieden, deshalb brauchen wir jeweils genau passende bauliche, ökologische und soziale Konzepte. Inzwischen ist die Bahnhofstraße für Viele zu einem Meideraum geworden. Für Anregungen hatten wir 2 Referent*innen eingeladen:

Irja Hönekopp ist nach verschiedenen Stationen seit 2 Jahren Abteilungsleiterin für die Stadterneuerung.

Frank Eckardt ist in Gelsenkirchen aufgewachsen und jetzt Professor für Stadtforschung an der Bauhaus-Universität Weimar.

Unsere Moderatorin Ada Gorczyk fragte als Lockerungsübung, wer häufiger in der Innenstadt ist, wer dort einkauft und wer dort wohnen möchte – dafür gab es Handzeichen. Die zeigten: Image und Situation sind verbesserungsbedürftig.

Das sind unsere Erkenntnisse:

Diese Probleme hat die Stadt

Gelsenkirchen hat die höchste Arbeitslosenquote aller kreisfreien deutschen Städte. Von fast 400.000 Einwohner*innen 1960 ist die Zahl um 1/3 auf 260.000 gesunken. Unter Armut haben besonders Kinder zu leiden. Verkehrslärm, Hitzeinseln und Vermüllung senken die Lebensqualität. Seit 2014 kommen verstärkt Zuwanderer*innen aus Rumänien und Bulgarien sowie Geflüchtete zu uns, das verschiebt die Bedürfnisse und Anforderungen an eine Innenstadt. Integrative Herausforderungen ziehen dabei leider verstärkt eine frustrierte Stimmung und populistische Wahlergebnisse nach sich.

Doch wie weiter?

Bahnhofstraße und Nebenstraßen werden von Kettenläden und kleineren Läden verlassen. Die wirtschaftlichen Effekte von „Events“ werden meist überschätzt. Doch was kommt danach?

Kleinere Einzelhandelsbereiche, mehr attraktive Wohnnutzungen, Treffpunkte, grüne Pflanzen wünschen wir uns. Bei Problemimmobilien ist mit Umbau oder Ersatz einzugreifen. Inhaber*innen-geführte Läden mit örtlichen Handwerksprodukten oder regionalen Waren sind eine Chance. Bürokratische Verfahren müssen einfacher und schneller werden.

Die Innenstadt ist ein besonderer symbolischer Ort. Hier sind andere Nutzungen als in den Stadtteilzentren möglich. In den Nebenstraßen wären die Erdgeschosse für besonderes Wohnen zu erlauben. Dazu könnten die Innenhöfe für nachbarschaftliche Nutzungen frei gemacht werden.

Für einen „großen Wurf“ fehlt in einer armen Stadt wie Gelsenkirchen das Kapital, deshalb müssen kleinteilige Lösungen schrittweise und an vielen Orten ausprobiert werden.

Die Autoprivilegierung ist nicht mehr zeitgemäß. Mehr Platz für Fußgänger*innen, Außengastronomie und Radfahrende führt bereits in anderen Städten zu einer zwar langsameren, aber angenehmeren Qualität von Fortbewegung und Aufenthalt.

Migrant*innen haben oft eine enorme Energie. Deren Fähigkeiten sind zu fördern und zu nutzen. Zwei Beispiele: „Polen im Pott“ ist so eine Initiative, die viel organisiert, aber als stille Minderheit wenig beachtet wird. Warum lässt Schalke 04 Trikots und andere Textilien in China produzieren, sie ließen sich auch hier z.B. durch Migrant*innen herstellen.

Und das Klima?

Es fehlen Know-How, Techniken und Strategien, wie die Innenstadt lebenswerter und freundlicher gestaltet werden kann. Solaranlagen und Fassadenbegrünung wären deutlich sichtbare Signale.

Sonnensegel sind meist einfacher und schneller als Bäume zur Verschattung in der Innenstadt einzusetzen. Wenn wir immer häufiger südeuropäische Temperaturen bei uns haben, sollten wir auch von dort gute Beispiele übernehmen.

Wir brauchen  1. Maßnahmen zur Klimaanpassung,  2. Gebäude und alles was wir konsumieren, hat klimaneutral zu sein,  3. Klimagerechtigkeit betrifft nicht nur unser Verhältnis zum globalen Süden, sondern auch zu den ärmeren Menschen unserer Stadt. Die Gefahr zu erfrieren oder zu verdursten kommt immer näher. Gelsenkirchen scheint darauf kaum vorbereitet zu sein.

Wer organisiert das alles?

Von 2004-18 wurden im Stadtumbaugebiet Altstadt viele Projekte gefördert. Geplant war eine direkte Fortsetzung. Dies war jedoch aufgrund des begrenzten Volumens der Städtebauförderung nicht direkt möglich. Mit räumlich gezielten Aktionen und nachbarschaftlicher Einbindung lässt sich Aufbruchsstimmung erreichen. Beispiele sind die Bochumer Straße in Ückendorf oder die Lothringer Straße in Rotthausen.

Es lohnt sich gute Beispiele zu suchen, die wir bei uns anwenden können. Die finden wir eher nicht in Kopenhagen oder Barcelona, sondern in „armen Städten“ mit ähnlichen Bedingungen wie in Gelsenkirchen. Dazu müssen wir „junge Pionier*innen“ einwerben, „Macher*innen“ unterstützen und Weggezogene kontaktieren. Experimente helfen und Fehler dürfen erlaubt sein. Kommunalpolitische Kontinuität in der Zielsetzung muss dabei länger als eine Wahlperiode halten, denn über die Wege dorthin gibt es noch keinen Konsens. Überparteiliche bürgerschaftliche Initiativen sind enorm wichtig. So können wir für unser Zusammenleben arbeiten. Die Verwaltung kann dann vieles möglich machen.

Im Vergleich zu unserer Innenstadt-Veranstaltung letztes Jahr im August waren die Vorschläge für die Zukunft vielfältiger und konkreter. Das gibt Hoffnung, dass sich wirklich etwas bewegen lässt – wenn Verwaltung und Politik darauf eingehen!

Wolfram