„Der BP-Standort Gelsenkirchen auf Basis fossiler Einsatzstoffe hat auf mittlere Sicht keine Zukunftschancen!“

Redebeitrag von Burkhard Wüllscheidt in der Sitzung des Stadtentwicklungs-und Planungsausschusses am 19.01.2022 zum TOP 2.3 Bebauungsplan Nr. 451 (Aufstellungsbeschluss)

Es gilt das gesprochene Wort.

Frau Ossowski, meine Damen und Herren!

Vorab und grundsätzlich:

Der BP-Standort Gelsenkirchen auf Basis fossiler Einsatzstoffe (Erdöl) hat auf mittlere Sicht keine Zukunftschancen! Das haben inzwischen auch die Verantwortlichen von BP am Standort Gelsenkirchen erkannt. Das erklärt die Verkündung der grundsätzlichen Veränderung der Unternehmensstrategie und Unternehmensziele.

Und direkt zur Vermeidung von Missverständnissen:

Wir begrüßen die damit verbundenen ambitionierten Ziele von BP für den Standort Gelsenkirchen:

– spätestens bis 2050 Klimaneutralität

– insbesondere auch durch Ersatz des Einsatzes von Erdöl durch recycelte Produkte aus der Kreislaufwirtschaft.

Für viele ist es ein schier unglaublicher Wandel!

Ich selber konnte seit 2018 im Rahmen von 3 Werksbesuchen u.a. mit VertreterInnen unserer Bundestagsfraktion diese Entwicklung Schritt für Schritt verfolgen. Auch wie sich die Dialogbereitschaft der BP-Verantwortlichen mit uns Grünen entwickelte.

Die tatsächliche Umsetzung der ambitionierten Ziele muss sich allerdings noch zeigen!

Aber noch mal zu unserer klaren Haltung:

Wir würden uns sowohl wegen der Arbeitsplätze als auch der Klimaziele sehr freuen, wenn diese Ankündigungen Schritt für Schritt eingelöst würden.

Vor diesem Hintergrund beurteilen wir auch ganz neu die heutige Vorlage der Verwaltung, die bisher gescheiterte Norderweiterung des BP-Betriebsgeländes um 58 ha in ein Landschaftsschutzgebiet durch einen gänzlich neuen Bebauungsplan doch noch zu ermöglichen.

Erfreulich ist erst einmal, dass die drohende Bebauung durch petrochemische Anlagen nach altem Muster vom Tisch ist.

Dort sollen nun Anlagen der Kreislaufwirtschaft entstehen, in denen aus Alt-Kunststoffen Einsatzstoffe für die Raffinerie hergestellt werden sollen, die den Einsatz von Erdöl Stück für Stück ersetzen.

Wie gesagt, dafür ist ein gänzlich neuer Bebauungsplan notwendig, zumal der alte nie rechtskräftig geworden war.

Für einen solchen neuen Bebauungsplan gibt es für uns allerdings eine Kernfrage:

Rechtfertigen die veränderten Zielsetzungen in der Abwägung umwelt- und klimapolitischer Zielsetzungen den Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet oder gibt es alternative Standorte?

Diese Frage hätte eigentlich vor der Entscheidung über einen Aufstellungsbeschluss untersucht, abgewogen und rechtssicher dargestellt und entschieden werden müssen. Das hat -zumindest nicht in einem öffentlichen und transparenten Entscheidungsprozess- stattgefunden. Wir hatten z.B. die Flächen des Kohlekraftwerks und der ehemaligen Zentralkokerei Scholven ins Gespräch gebracht.

Nach einer gründlichen Diskussion in der Fraktion haben wir uns insbesondere deshalb dort einstimmig dazu entschieden (anders als in der Bezirksvertretung Nord), dem Aufstellungsbeschluss heute nicht zuzustimmen, sondern uns zu enthalten.

Wie wir uns beim Satzungsbeschluss verhalten werden, bleibt allerdings noch offen und hängt u. a. mit der sauberen, wenn auch verspäteten Abwägung dieser Frage in den Unterlagen zur Bebauungsplansatzung ab.

In der Begründung zum heutigen Aufstellungsbeschluss sind die Planungs- und Prüfungsziele aus Sicht der Verwaltung dargestellt. Neben der genannten Kernfrage halten wir die Berücksichtigung weiterer Punkte im Aufstellungsverfahren des Bebauungsplanes für zwingend notwendig (geben wir hiermit zu Protokoll):

  • Prüfung alternativer Standorte (im Rahmen einer Abwägungsbegründung für die Nichtnutzung dieser Standorte zu Lasten der Nutzung eines Landschaftsschutzgebietes).
  • Prüfung und Bewertung des geplanten Produktionsprozesses als Bestandteil der Kreislaufwirtschaft (hinsichtlich einer Abwägung zwischen Landschaftsschutz und Umweltbelastungen).
  • Prüfung der Beschränkung der Nutzung des Plangebietes auf industrielle Anlagen der Kreislaufwirtschaft (als Abwägungsbegründung für die Umwandlung eines Landschaftsschutzgebietes in eine industriell genutzte Fläche).
  • Prüfung der Verkleinerung des Planungsgebietes mit dem Ziel, Teile des Landschaftsschutzgebietes zu erhalten
    (a) durch eine Ausweisung der Flächen für die geplanten industriellen Anlagen der Kreislaufwirtschaft auf das unbedingt notwendige Maß und
    b) durch die sowieso bis 2023 rechtlich notwendige Verlagerung des seit über 10 Jahren nur provisorisch errichteten Firmenpartnerhofes).
  • Prüfung der verkehrlichen Auswirkungen hinsichtlich Lärm- und Umweltbelastungen (durch die erforderlichen Materialtransporte zur und von der Anlage durch LKW’s).
  • Prüfung möglicher umwelt- und klimarelevanter Vorgaben für die geplanten industriellen Bauwerke (ressourcenschonende Baustoffe und Nutzung der Dach- und Fassadenflächen für Begrünung und Photovoltaik).

Uns ist bewusst, dass SPD, CDU und FDP die Pläne am liebsten einfach durchwinken würden und unsere Stimmen dazu nicht gebraucht werden.

Wir hoffen aber, dass es durch die Berücksichtigung dieser Punkte im Aufstellungsverfahren zu einer umfassenden und sachgerechten Bewertung des Vorhabens kommt. Von deren Ergebnis werden wir wie gesagt unsere letztendliche Entscheidung abhängig machen.

Und zum Schluss: die Berücksichtigung dieser Punkte ist unseres Erachtens auch notwendig, um einen solchen Bebauungsplan nicht wieder vor Gericht scheitern zu lassen.